Leitsatz
Auch bei einem elektronisch beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB) sind die erforderlichen Abschriften des in Papierform vom Gericht ausgefertigten Beschlusses vom Gerichtsvollzieher (GV) herzustellen und als Auslagen abzurechnen.
LG Oldenburg, Beschl. v. 30.1.2023 – 6 T 28/23
1 Der Fall
Kopien des PfÜB zur Zustellung an den Schuldner und Drittschuldner
Die Gläubiger betreiben die Zwangsvollstreckung und beantragten über das elektronische Anwaltspostfach gegen den Schuldner einen PfÜB. Die Geschäftsstelle beim AG leitete den erlassenen PfÜB antragsgemäß mit dem Zusatz "mit der Bitte um Zustellung an Drittschuldner/in mit Aufforderung gemäß § 840 ZPO" an den zuständigen GV weiter. Dieser fertigte die für die Zustellung erforderlichen Kopien des Beschlusses und beglaubigte diese. Hierfür stellte er den Gläubigern die Dokumentenpauschale KV Nr. 700 Nr. 1 lit. b) in Höhe von 5,50 EUR in Rechnung.
Wer trägt die Kosten beim elektronischen Antrag?
Mit der Kostenerinnerung wandte sich die Bezirksrevisorin gegen die in Ansatz gebrachte Dokumentenpauschale. Das AG wies die Erinnerung zurück. Die dagegen eingelegte Beschwerde begründete die Bezirksrevisorin im Wesentlichen damit, dass es den Gläubigern, die seit dem 1.1.2022 verpflichtet seien, als sogenannte professionelle Einreicher ausschließlich über das elektronische Anwaltspostfach mit dem Gericht zu kommunizieren, nicht zum Nachteil gereichen dürfe, wenn die internen Abläufe beim AG noch nicht vollständig auf die elektronische Weiterverarbeitung des Antrags eingestellt seien und deshalb Papierkopien gefertigt werden müssten.
2 II. Die Entscheidung
LG sieht den Kostenansatz als berechtigt an
Die Beschwerde ist zulässig nach § 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG, § 66 Abs. 2 S. 2 GKG. Das AG hat die Beschwerde gegen den Beschluss zugelassen. In der Sache bleibt der Beschwerde ein Erfolg verwehrt. Der GV hat die Dokumentenpauschale in Höhe von 5,50 EUR für die Fertigung der erforderlichen Kopien zu Recht nach KV Nr. 700 Nr. 1 lit. b) Anlage zum GvKostG in der Kostenrechnung vom 16.6.2022 angesetzt.
Nur der PfÜB wird allein elektronisch bearbeitet
Die von der Bezirksrevisorin vertretene Auffassung, dass gemäß § 133 Abs. 1 S. 2 ZPO bei der Übersendung eines Antrags in Form eines Schriftsatzes oder Dokumentes an den GV per beA vom Antragsteller keine Abschriften von digitalen Dokumenten vorzulegen bzw. zu fertigen sind, trifft zwar zu. Dies betrifft jedoch lediglich – wie das AG zutreffend herausgearbeitet hat – den Antrag der Gläubigerin auf Erlass eines PfÜB, nicht die für die weitere Erledigung des Auftrags – nach Erlass des beantragten PfÜB – erforderlichen Abschriften (vgl. AG Dortmund, 27.9.2021 – 234 M 290/21; AG Düsseldorf, 25.8.2021 – 660 M 854/21; AG Essen, 15.9.2021 – 30 M 1267/21; AG Recklinghausen, 5.8.2021 – 20 M 1084/21; AG Gießen, 13.7.2021 – 41 M 108131/21; AG München, 25.8.2021 – 1513 M 4871/21).
Für die Weiterverarbeitung gilt das nicht
§ 133 Abs. 1 S. 2 ZPO kommt nicht deshalb zur Anwendung, weil die internen Abläufe beim AG noch nicht auf eine rein elektronische Verarbeitung des gesamten Rechtsverkehrs umgestellt sind und es vom AG möglicherweise entgegen einem Erlass bzw. einer Organisationsempfehlung des MJ vom 15.12.2017 – 2344 – 204.297 und vom 31.1.2022 – 2344 – 204.297 bei der Vermittlung des Zustellauftrags an den GV unterlassen wurde, die erforderlichen Mehrfertigungen des erlassenen PfÜB beizufügen. Es gibt keine gesetzliche Grundlage oder allgemein anerkannten Rechtssatz, dass sämtliche gesetzlichen Bestimmungen, wie etwa die Kostenbestimmungen des GvKostG, nach Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) dem Sinn und Zweck des ERV entsprechend auszulegen und anzuwenden sind. Auch Erlasse bzw. Organisationsempfehlungen des zuständigen Ministeriums vermögen dies nicht zu begründen.
Widerspruch zum elektronischen Rechtsverkehr müsse der Gesetzgeber auflösen
Sofern der Sinn und Zweck des ERV mit einzelnen gesetzlichen Vorgaben im Widerspruch steht oder zu stehen scheint, obliegen entsprechende Gesetzesänderungen dem Gesetzgeber. Solange eine gesetzliche Grundlage für die Abrechnung der Dokumentenpauschale vorhanden ist, ist deren Ansatz im Falle der Erfüllung der jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen rechtsfehlerfrei.
Für die weitere Erledigung des Auftrags, nämlich die Zustellungen gemäß § 829 Abs. 2 ZPO durch den GV, die von den Gläubigern gemäß § 192 ZPO ebenfalls beantragt war, mussten Abschriften des PfÜB hergestellt werden. An sich waren dem GV gemäß § 193 Abs. 1 ZPO von den Gläubigern die erforderlichen Abschriften für die Zustellung, die nach § 829 Abs. 2 ZPO im Parteibetrieb erfolgte, zu übergeben. Da der GV diese nicht erhalten hatte, konnte er sie gemäß § 193 Abs. 1 S. 3 ZPO selbst herstellen. Insbesondere rechtfertigte die Eilbedürftigkeit die Selbstherstellung (vgl. BeckOK- ZPO/Dörndorfer, 47. Ed. 1.12.2022, ZPO § 193 Rn 2 unter Verweis auf § 16 Abs. 2 GVGA; Tenner, DGVZ 2019, 224 (228)), da eine Anforderung von Abschriften zu einer Verzögerung hätte führen können. D...