Leitsatz
§ 753a S. 1 ZPO ist dahin auszulegen, dass Bevollmächtigte i.S.d. § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ZPO (in das Rechtsdienstleistungsregister eingetragene Inkassodienstleister) bei der Durchführung der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen ihre ordnungsgemäße Bevollmächtigung zum Empfang des vom Gerichtsvollzieher (GV) gepfändeten oder seitens des Schuldners an den GV freiwillig gezahlten Geldbetrags (sog. Geldempfangsvollmacht) versichern können; des Nachweises einer Geldempfangsvollmacht durch Vorlage einer entsprechenden Vollmachtsurkunde bedarf es in diesen Fällen nicht.
BGH, Beschl. v. 5.7.2023 – VII ZB 35/21
1 Der Fall
Vereinfachter Vollstreckungsauftrag nach § 754a ZPO
Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid über eine Forderung in Höhe von 74,32 EUR nebst Zinsen und Kosten. Zu diesem Zweck erteilte die Gläubigerin, vertreten durch die in das Rechtsdienstleistungsregister eingetragene Inkassodienstleisterin, einen vereinfachten Vollstreckungsauftrag bei Vollstreckungsbescheiden gemäß § 754a ZPO an den GV. In dem hierfür verwendeten Formular versicherte die Inkassodienstleisterin unter anderem, dass eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung durch die Gläubigerin zur Beauftragung der Vollstreckung vorliege.
GV verweigert Auszahlung ohne Geldempfangsvollmacht
Nachdem der GV die Schuldnerin zur Zahlung aufgefordert hatte, überwies diese den vollen Forderungsbetrag auf das Dienstkonto des Gerichtsvollziehers. Der Gerichtsvollzieher verweigerte in der Folgezeit die von der C KG gewünschte Auskehrung des Betrags auf ihr Konto mit der Begründung, diese könne erst erfolgen, wenn die Inkassodienstleisterin eine Geldempfangsvollmacht im Original vorlege. Die Gläubigerin ist dagegen der Auffassung, gemäß § 753a S. 1 ZPO sei die Versicherung der ordnungsgemäßen Bevollmächtigung zum Geldempfang durch die Inkassodienstleisterin ausreichend; eines Nachweises der Vollmacht durch Vorlage einer Urkunde bedürfe es insoweit nicht.
Rechtsmittel bleiben erfolglos, bis der BGH hilft
Das AG – Vollstreckungsgericht – hat die gegen die Weigerung des GV gerichtete Erinnerung der Gläubigerin zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist erfolglos geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihr Begehren weiter.
2 II. Die Entscheidung
Vorlageverlangen des GV ist rechtswidrig
Die gemäß §§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2, 575 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen. Der GV war anzuweisen, die Auskehrung des von der Schuldnerin gezahlten Betrags an die Inkassodienstleisterin nicht aus den bisherigen Gründen abzulehnen.
Zu Recht beanstandet die Gläubigerin, dass das LG entgegen § 753a S. 1 ZPO die Ablieferung des von der Schuldnerin an den GV gezahlten Geldbetrags an die von der Gläubigerin beauftragte Inkassodienstleisterin von dem Nachweis der Geldempfangsvollmacht durch Vorlage einer entsprechenden Vollmachtsurkunde abhängig gemacht hat.
Frage des Umfangs der Versicherung ist bisher streitig
Nach § 753a S. 1 ZPO haben bei der Durchführung der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen Bevollmächtigte nach § 79 Abs. 2 S. 1 und 2 Nr. 3 und 4 ZPO ihre ordnungsgemäße Bevollmächtigung zu versichern; des Nachweises einer Vollmacht bedarf es in diesen Fällen nicht.
Allerdings ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob sich § 753a S. 1 ZPO auch auf die Geldempfangsvollmacht der Bevollmächtigten nach § 79 Abs. 2 S. 1 und 2 Nr. 3 und 4 ZPO bezieht. Nach einer Meinung betrifft § 753a S. 1 ZPO nur die Verfahrensvollmacht, sodass die Bevollmächtigung zum Geldempfang stets durch Vorlage einer entsprechenden Vollmachtsurkunde nachzuweisen ist (vgl. LG Stuttgart DGVZ 2022, 198; AG Brake, 29.12.2022 – 6 M 865/22; Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 20. Aufl., § 815 Rn 2; Mroß, DGVZ 2021, 73; Mock, VE 2021, 55). Nach anderer Auffassung erfasst § 753a S. 1 ZPO auch die Geldempfangsvollmacht mit der Folge, dass im sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich dieser Vorschrift die Versicherung einer entsprechenden Bevollmächtigung genügt (vgl. AG Mettmann, 12.10.2022 – 6 M 511/22; AG Burg DGVZ 2022, 198; BeckOK-ZPO/Ulrici, Stand: 1.3.2023, § 753a Rn 2; Vogt-Beheim, in: Anders/Gehle, ZPO, 81. Aufl., § 753a Rn 4).
BGH entscheidet: keine Pflicht zur Vorlage der Geldempfangsvollmacht
Die letztgenannte Auffassung ist zutreffend. § 753a S. 1 ZPO ist dahin auszulegen, dass Bevollmächtigte i.S.d. § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ZPO (in das Rechtsdienstleistungsregister eingetragene Inkassodienstleister) bei der Durchführung der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen ihre ordnungsgemäße Bevollmächtigung zum Empfang des vom GV gepfändeten oder seitens des Schuldners an den GV freiwillig gezahlten Geldbetrags (sog. Geldempfangsvollmacht) versichern können; des Nachweises einer Geldempfangsvollmacht durch Vorlage einer entsprechenden Vollmachts...