1. Die durch eine anwaltliche Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung ausgelöste Vollstreckungsgebühr ist dann gem. § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 91 ZPO erstattungsfähig, wenn der Gläubiger im Besitz einer vollstreckbaren Ausfertigung des Vollstreckungstitels ist, wenn die Fälligkeit der titulierten Forderung eingetreten ist und wenn dem Schuldner eine angemessene Frist zur freiwilligen Erfüllung der Forderung belassen war.
2. Die anwaltliche Zahlungsaufforderung ist dann verfrüht, wenn sie zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem noch Verhandlungen über die Modalitäten der Zahlung zwischen dem Schuldner und dem Empfangsberechtigten geführt werden.
LG Saarbrücken, 28.7.2009 – 5 T 395/09
I. Der Fall
Forderung aus rechtskräftigem Urteil
Der Schuldner ist durch Urteil des LG vom 4.12.2008 verurteilt worden, 31.980,30 EUR zuzüglich Zinsen und vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen. Eine Ausfertigung des Urteils ist dem Schuldner am 8.12.2008 zugestellt worden. Am 8.1.2009 ist das Urteil rechtskräftig geworden. Der Schuldner hat bei dem Testamentsvollstrecker vorgesprochen und um die Verrechnung seiner rechtskräftig festgestellten Zahlungsverpflichtung mit den ihm aus dem Nachlass zustehenden Forderungen gebeten.
Löst Zahlungsaufforderung Erstattungsanspruch aus?
Durch Schriftsatz vom 20.1.2009 an den Prozessbevollmächtigten des Schuldners hat der Prozessbevollmächtigte der Gläubiger den Schuldner zur Zahlung der rechtskräftig festgestellten Forderung und der Rechtsanwaltsgebühren für die Zahlungsaufforderung bis zum 30.1.2009 aufgefordert. Der Gläubiger begehrt nun die Festsetzung der Kosten der Zahlungsaufforderung gemäß § 788 ZPO.
II. Die Entscheidung
Das LG sagt nein!
Die für die Zahlungsaufforderung durch das Rechtsanwaltsschreiben vom 20.1.2009 gemäß Nr. 3309 VV RVG angefallene 3/10-Vollstreckungsgebühr des Rechtsanwalts einschließlich der Erhöhungsgebühr für weitere Auftraggeber gemäß Nr. 1008 VV RVG ist nicht erstattungsfähig.
Grundsätzliche Erstattungsfähigkeit steht nicht in Frage
Die durch eine anwaltliche Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung ausgelöste Vollstreckungsgebühr ist dann gemäß § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 91 ZPO erstattungsfähig, wenn der Gläubiger im Besitz einer vollstreckbaren Ausfertigung des Vollstreckungstitels ist, wenn die Fälligkeit der titulierten Forderung eingetreten ist und wenn dem Schuldner eine angemessene Frist zur freiwilligen Erfüllung der Forderung eingeräumt war.
Aber: Im konkreten Fall zu früh reagiert
Diese Voraussetzungen waren zum Zeitpunkt der Zahlungsaufforderung vom 20.1.2009 noch nicht erfüllt. Zwar verfügten die Gläubiger zu diesem Zeitpunkt über eine vollstreckbare Ausfertigung des rechtskräftig gewordenen Urteils des LG und die titulierte Forderung war auch fällig (vgl. § 271 Abs. 1 BGB). Ferner war es unschädlich, dass die vollstreckbare Ausfertigung des Urteils dem Schuldner noch nicht zugestellt war (BGH Rpfleger 2003, 596; BGH FamRZ 2004, 101). Allerdings war zum Zeitpunkt der an den Schuldner gerichteten Zahlungsaufforderung vom 20.1.2009 die erforderliche angemessene Frist zur freiwilligen Erfüllung der Forderung noch nicht verstrichen.
Fristbeginn erst mit Rechtskraft
Bei der Beurteilung der Angemessenheit der abzuwartenden Zahlungsfrist muss berücksichtigt werden, dass dem Schuldner eine gewisse Zeit für die Kommunikation mit seinem Rechtsanwalt und für die technische Abwicklung des Zahlungsvorganges gelassen werden muss. Diese Frist hat im vorliegenden Fall erst mit der Rechtskraft des Urteils des LG begonnen. Dem steht nicht entgegen, dass das Urteil des LG für die Gläubiger gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar war. Vor der Rechtskraft des Urteils hätten die Gläubiger nur dann mit der Zwangsvollstreckung beginnen dürfen, wenn die von ihnen zu leistende Sicherheit durch eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen und eine Abschrift dieser Urkunde bereits zugestellt oder gleichzeitig zugestellt worden wäre (§ 751 Abs. 2 ZPO).
Verhandlungen hemmen die angemessene Zahlungsfrist
Die Zahlungsaufforderung vom 20.1.2009 war deshalb verfrüht, weil zu diesem Zeitpunkt die Verhandlungen des Schuldners mit dem Testamentsvollstrecker über den Nachlass noch nicht beendet waren. Ob zu diesem Zeitpunkt tatsächlich eine Aufrechnungslage vorlegen hat, ist ohne Belang. Maßgeblich ist, dass der Testamentsvollstrecker das Anliegen des Schuldners nicht sofort zurückgewiesen hat. Zum Zeitpunkt der Abfassung der Zahlungsaufforderung des Prozessbevollmächtigten der Gläubiger vom 20.1.2009 lag dem Schuldner eine Antwort des Testamentsvollstreckers auf sein Anliegen noch nicht vor. Deshalb durfte der Schuldner zu diesem Zeitpunkt noch davon ausgehen, keine oder nur eine geringere Zahlung an den Testamentsvollstrecker erbringen zu müssen. Solange diese Ungewissheit des Schuldners andauerte, war die an ihn gerichtete Zahlungsaufforderung des Gläubigervertreters vom 20.1.2009 verfrüht, so dass die dadurch angefallenen Kosten der Zwangsvollst...