Leitsatz
Der Gläubiger, zu dessen Gunsten Ansprüche des Schuldners auf Auszahlung von Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto gepfändet und überwiesen werden, kann verlangen, dass die gemäß § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO bestehende Verpflichtung des Schuldners zur Herausgabe der bei ihm vorhandenen Nachweise, welche gemäß § 850k Abs. 2, Abs. 5 Satz 2 ZPO zur Erhöhung der Pfändungsfreibeträge führen können, in den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB) aufgenommen wird. Dem Schuldner muss nachgelassen werden, die Übergabe durch Herausgabe von Kopien zu erfüllen.
BGH, 21.2.2013 – VII ZB 59/10
1 I. Der Fall
AG lehnt Aufnahme der Herausgabeverpflichtung ab
Auf Antrag des Gläubigers hat das AG einen PfÜB erlassen, mit dem unter anderem Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin auf Auszahlung des Guthabens auf einem Pfändungsschutzkonto gemäß § 850k ZPO gepfändet und zur Einziehung überwiesen worden sind. Die darüber hinaus vom Gläubiger beantragte Anordnung, dass der Schuldner die Nachweise, welche zur Erhöhung der Pfändungsfreibeträge gemäß § 850k Abs. 2, Abs. 5 Satz 2 ZPO führen, an ihn herauszugeben habe, hat es abgelehnt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Gläubigers blieb erfolglos, der sein Begehren aber mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde weiterverfolgt.
2 II. Die Entscheidung
Herausgabepflicht liegt grundsätzlich beim Schuldner
Gemäß § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist der Schuldner verpflichtet, dem Gläubiger die zur Einziehung der gepfändeten Forderung nötige Auskunft zu erteilen und ihm die über die Forderung vorhandenen Urkunden herauszugeben. Die Vorschrift soll dem Gläubiger die Einziehung der Forderung beim Drittschuldner erleichtern. Die Auskunfts- und Herausgabepflicht dient seinem Interesse, die zur Durchsetzung der Forderung notwendigen Informationen zu erhalten. Der Gläubiger soll in die Lage versetzt werden, die Aussichten einer Drittschuldnerklage zu überprüfen, und notfalls eine solche exakt beziffern können. Unnötige und risikobehaftete Drittschuldnerklagen sollen vermieden werden (BGH NJW 2012, 1081 = FoVo 2012, 69; BGH NJW 2007, 606).
Das hat der Schuldner herauszugeben
Die Herausgabepflicht des Schuldners betrifft Urkunden, die den Gläubiger als zur Empfangnahme der Leistung berechtigt legitimieren, sowie solche, die den Bestand der Forderung beweisen oder sonst der Ermittlung oder dem Nachweis ihrer Höhe, Fälligkeit oder Einredefreiheit dienen (BGH NJW 2012, 1081 = FoVo 2012, 69; BGH NJW-RR 2006, 1576; BGH NJW 2003, 1256). Zu den Urkunden, die zur Ermittlung oder zum Nachweis der Forderungshöhe dienen, gehören
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die laufenden Lohnabrechnungen, |
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regelmäßig die letzten drei Lohnabrechnungen aus der Zeit vor der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (BGH NJW 2007, 606), |
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Bescheide über öffentlich-rechtliche Leistungen und Rentenbescheide (MüKoZPO/Smid, 4. Aufl., § 836 Rn 124; Schuschke, in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 836 Rn 9; Brehm, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 836 Rn 14, Fn 43; Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 836 Rn 13; Musielak/Becker, ZPO, 9. Aufl., § 836 Rn 7) und auch |
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die Bescheinigung einer Schuldnerberatungsstelle im Sinne von § 305 Nr. 1 InsO, da diese mit den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners vertraut ist und deshalb über die für die Berechnung des pfändbaren Betrags notwendigen Informationen verfügt (Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Kontopfändungsschutzes, BT-Drucks 16/7615, S. 20). |
Auch: Bescheinigung zur Erhöhung des Pfändungsbetrages
Bei Anwendung dieser Grundsätze steht dem Gläubiger ein Anspruch gemäß § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO auf Herausgabe der in § 850k Abs. 5 Satz 2 ZPO genannten, beim Schuldner vorhandenen Bescheinigungen zu. Inwieweit der Anspruch des Schuldners auf Auszahlung eines Guthabens auf einem P-Konto der Pfändung unterliegt, ergibt sich aus § 850k Abs. 1 bis 3 ZPO. Enthält der PfÜB keine Angaben hierzu, ist es grundsätzlich Sache des Drittschuldners, den pfändungsfreien Guthabenbetrag zu ermitteln und an den Gläubiger auszuzahlen. Dabei muss er berücksichtigen, dass die in § 850k Abs. 2 Satz 1 ZPO genannten Unterhaltspflichten und Sonderbezüge des Schuldners zu einer Erhöhung der nach § 850k Abs. 1 ZPO maßgeblichen Pfändungsfreibeträge führen. Weil das kontoführende Kreditinstitut, anders als regelmäßig der Arbeitgeber des Schuldners bei der Pfändung von Arbeitseinkommen, von den hierfür maßgeblichen Umständen keine Kenntnis besitzt, muss es die nach § 850k Abs. 2 ZPO pfandfreien Beträge gemäß § 850k Abs. 5 Satz 2 ZPO nur insoweit an den Schuldner auszahlen, als dieser durch eine Bescheinigung des Arbeitgebers, der Familienkasse, des Sozialleistungsträgers oder einer geeigneten Person oder Stelle im Sinne von § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO nachweist, dass das Guthaben nicht von der Pfändung erfasst ist.
Gläubiger benötigt die Bescheinigung …
Die Urkunden, die der Schuldner nach § 850k Abs. 5 Satz 2 ZPO benötigt, um eine Erhöhung des pfändungsfreien Betrages zu erreichen, si...