Leitsatz
Einer eigenhändigen Unterschrift des Gläubigers auf dem Vollstreckungsauftrag bedarf es nicht, sofern die Ernsthaftigkeit des Vollstreckungsauftrags auf andere Weise erkennbar hervortritt, wie etwa durch den Hinweis am Ende des Vollstreckungsauftrags, dass der Antragsteller beabsichtigt, diesen ohne Vorbehalt durchführen zu lassen. Ernsthaftigkeit in diesem Sinne bedeutet das wissentliche und willentliche Auf-den-Weg-Bringen des Vollstreckungsantrags mit dem Ziel seiner Durchführung, wobei der Aussteller des Vollstreckungsauftrags nicht zweifelhaft sein darf.
AG Osnabrück, Beschl. v. 10.3.2021 – 64 M 27/21
1 Der Fall
Vollstreckungsantrag ohne Unterschrift
Die Gläubigerin reichte am 13.1.2021 den an den Gerichtsvollzieher (GV) gerichteten Vollstreckungsauftrag vom 23.12.2020 ein. Dieser Auftrag war weder mit einer handschriftlichen Unterschrift versehen, noch war an dem Dokument eine anderweitige Unterzeichnung (Faksimile etc.) angebracht. Am Ende des Auftrags ist der Hinweis zu finden, dass dieser wissentlich und willentlich übermittelt worden und eine Unterschrift daher entbehrlich sei.
GV sendet den Auftrag zurück
Mit Schreiben vom gleichen Tag sandte der GV die Vollstreckungsunterlagen an die Gläubigerin zurück und wies darauf hin, dass es an der notwendigen Unterschrift fehle und damit die Ernsthaftigkeit der Antragstellung nicht gegeben sei.
Hiergegen wendet sie sich mit der Erinnerung gemäß § 766 Abs. 2 ZPO. Sie führt aus, der Auftrag sei zwar nicht unterschrieben worden, einer Unterschrift bedürfe es vor dem Hintergrund der Formfreiheit nach § 753 ZPO jedoch nicht. Das Unterschriftsfeld gehöre nicht zum Modul Q, welches gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 GVFV grundsätzlich dem Formzwang unterliege. Zudem gehöre es zur Obliegenheit des Gerichtsvollziehers, auf Annahme- oder Verhinderungsgründe in Bezug auf einen Vollstreckungsauftrag hinzuweisen und dem Antragsteller unter Fristsetzung die Beseitigung etwaiger Mangel einzuräumen. Sie beantragt daher, die Entscheidung des GV zurückzuweisen und dem Vollstreckungsauftrag Fortgang zu gewähren. Der GV hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
2 II. Die Entscheidung
Wichtig ist nur der Entäußerungswille
Die Erinnerung ist gemäß § 766 ZPO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Es bedarf einer eigenhändigen Unterschrift des Gläubigers nicht, sofern die seitens der Rechtsprechung geforderte Ernsthaftigkeit des Vollstreckungsauftrags auf andere Weise erkennbar hervortritt. Ernsthaftigkeit in diesem Sinne bedeutet das wissentliche und willentliche Auf-den-Weg-Bringen des Antrags mit dem Ziel seiner Durchführung, wobei der Aussteller des Antrags nicht zweifelhaft sein darf.
Hier gab es einen eindeutigen Hinweis
Dem streitgegenständlichen Vollstreckungsauftrag war durch den Hinweis am Ende unzweifelhaft zu entnehmen, dass die Antragstellerin beabsichtigte, diesen ohne Vorbehalt durchführen zu lassen. Der Umkehrschluss, die Erinnerungsführerin habe mit der vorsätzlichen Nichtunterzeichnung die mangelnde Ernsthaftigkeit zum Ausdruck gebracht, überzeugt dabei vor dem Hintergrund des eindeutigen Wortlauts nicht. Die Antragstellerin ist als Ausstellerin auch eindeutig zu identifizieren, da die Legitimierung sowohl aus dem Antrag als auch aus dem Beiblatt "Information" hervorgeht.
Formularzwang begründet das Unterschriftserfordernis nicht
Aus dem Formularzwang ergibt sich kein zwingendes Erfordernis einer Unterschriftsleistung. Die Unterschriftenzeile ist nicht Bestandteil des Moduls Q. Bei näherer Betrachtung erweist es sich vielmehr, dass die Unterschriftenzeile kein Bestandteil des modularen Aufbaus des Formulars ist und gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 GVFV auch unter Formalitätsgesichtspunkten weggelassen werden darf (LG Frankfurt [Oder] v. 20.12.2018 – 15 T 183/18).
Wichtig: Der wahre Aussteller muss zu identifizieren sein
Die in der Nichtabhilfeentscheidung zitierte Rechtsprechung steht dieser Auffassung nicht entgegen. Grundlage dieser Verfahren war nicht die fehlende Unterzeichnung. Vielmehr war dortig der Aussteller nicht eindeutig festzustellen, da jeweils mehrere unterschiedliche (eingescannte) Unterzeichnungen (teilweise "Im Auftrag") vorgenommen waren, was einen Schluss auf den tatsächlichen Aussteller zumindest erheblich erschwerte. Im Gegensatz dazu ist im vorliegenden Fall jedoch die Ausstellerin trotz fehlender Unterzeichnung klar erkennbar.
3 Der Praxistipp
Frage nach der Unterschrift ist umstritten
Die Frage, ob Vollstreckungsanträge unterschrieben werden müssen oder nicht, ist umstritten (a.A. als das AG Osnabrück etwa AG Böblingen v. 8.3.2021 – 40 M 361/21). Richtigerweise kommt es alleine darauf an, ob der Antrag willentlich gestellt wurde. Dies ist grundsätzlich anzunehmen, weil Anträge regelhaft kaum zufällig zum Vollstreckungsorgan gelangen. Es müssen also Anhaltspunkte vorliegen, die an der Ernsthaftigkeit des Vollstreckungsantrags Zweifel lassen. Dafür fehlte im konkreten Fall jeder Anhaltspunkt.
Antwort kann nur in der ZPO zu finden sein
Aus der ZVFV und der GVFV kann sich ein Unterschriftserfordernis schon aus systematischen Gründ...