Leitsatz
Der Gerichtsvollzieher darf den Vollstreckungsauftrag nicht mit dem Argument zurückweisen, ihm sei keine Geldempfangsvollmacht im Original vorgelegt worden.
AG Lübeck, Beschl. v. 2.3.2022 – 51b M 5/22
1 Der Fall
GV ist mit der Versicherung der Vollmacht nicht zufrieden
Unter dem 27.9.2021 erteilte die Gläubigervertreterin, ein Inkassounternehmen, dem Gerichtsvollzieher (GV) einen Vollstreckungsauftrag. In dem Formular versicherte sie die ordnungsgemäße Bevollmächtigung nach § 753a ZPO.
Die Gerichtsvollzieherin verlangte darauf die Übersendung einer Geldempfangsvollmacht. Hiergegen wendet sich der Gläubiger in dem Erinnerungsverfahren.
2 II. Die Entscheidung
Erinnerung der Gläubigerin ist erfolgreich
Die Erinnerung ist zulässig und begründet. Die Anforderung einer Geldempfangsvollmacht ist durch die Versicherung der ordnungsgemäßen Bevollmächtigung entbehrlich. Die Bevollmächtigte ist damit nicht verpflichtet, in dem vorliegenden Verfahren eine Geldempfangsvollmacht im Original einzureichen.
GVGA berücksichtigt die Gesetzesänderung (noch) nicht
Dem GV ist zwar zuzustimmen: dass nach den für ihn maßgebenden Vorschriften der Gerichtsvollziehergeschäftsanweisung (GVGA) das Erfordernis der Vorlage einer Vollmacht normiert und diese Vorschriften von ihm grundsätzlich zu beachten sind. Allerdings berücksichtigen die Vorschriften die mit § 753a ZPO vorgenommene Gesetzesänderung nicht. Insoweit ist die Regelung des § 753a ZPO vorrangig.
Wortlaut der ZPO ist eindeutig
Danach haben Bevollmächtigte nach § 79 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und 4 ZPO bei der Durchführung der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen ihre ordnungsgemäße Bevollmächtigung nur noch zu versichern, sodass es eines Nachweises der Vollmacht in diesen Fällen nicht mehr bedarf. Hintergrund ist die Vereinfachung des Verfahrens. Der Wortlaut der Vorschrift ist insoweit eindeutig und nicht auslegungswürdig.
Auch die Gesetzesbegründung spricht dafür
Dass sie dabei die Durchführung des gesamten Zwangsvollstreckungsverfahrens meint, mithin auch die Auskehrung der Leistung erfasst ist, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, darin heißt es:
"Die Vorschrift orientiert sich an der für das Mahnverfahren bewährten Vorschrift des § 703 ZPO und dient der Verfahrensvereinfachung. Insbesondere im Hinblick darauf, dass die Regelung auch die Ablieferung nach § 815 Abs. 1 ZPO umfasst und die Vollmacht auch auf Verlangen des Schuldners nicht nachgewiesen werden muss (vgl. insoweit zu § 703 ZPO Vollkammer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 703 ZPO Rn 1), soll sie jedoch für Bevollmächtigte nach § 79 Abs. 2 S. 2 Nrn. 1 und 2 ZPO nicht gelten. Personen, die für ihren Arbeitgeber oder Familienangehörige auftreten, müssen also nach wie vor eine Originalvollmacht vorlegen" (BT-Drs 19/20348, S. 72).
Aus diesem Grund ist der GV anzuweisen, die Vollstreckung nicht mit dem Argument zu verweigern, es liege keine Geldempfangsvollmacht im Original vor.
3 Der Praxistipp
Zwangsvollstreckung klar und pragmatisch
Die Entscheidung ist nicht nur zutreffend begründet, sondern sie überzeugt auch in der Sache. Das Verständnis, dass das AG an den Tag gelegt hat, entspricht dem Verständnis des BMJ, wie es dem Herausgeber dieser Zeitschrift am 1.12.2021 mitgeteilt wurde. Dies spricht dafür, dass der Gesetzgeber auch die von dem AG jetzt ausgesprochene Intention hatte.
In der Sache überzeugt die Entscheidung, weil in der Praxis keine Fälle von Vollmachtmissbrauch zu sehen sind. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Verfahrens- als auch auf die Geldempfangsvollmacht. Die Zwangsvollstreckung ist zwar grundsätzlich formalisiert. Dies muss aber dort seine Grenze finden, wo eine Formalie keine sachliche Rechtsfertigung (mehr) hat.
In Zeiten der Digitalisierung denken
Gerade auch vor dem Hintergrund der Digitalisierung ist es erforderlich, dass andere Methoden der Authentifizierung gefunden werden. Ist ein Inkassodienstleister – für den GV unter www.rechtsdienstleistungsregister.de einzusehen – registriert und damit von einer Aufsichtsbehörde geprüft, dürfen keine Bedenken bestehen, einer Versicherung zu vertrauen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass ein unlauteres Vorgehen nach dem UWG, dem UKlaG, aufsichtsrechtlich nach dem RDG sowie als Ordnungswidrigkeit und in bestimmten Konstellationen sogar als Straftat sanktioniert ist.
FoVo 7/2022, S. 130 - 131