I. Das Problem
Abtretung im Kontext der Zwangsvollstreckung
Wir haben einen Darlehensrückzahlungsanspruch im gerichtlichen Mahnverfahren tituliert. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung ist es zum Kontakt mit dem Schuldner gekommen und es wurde eine Ratenzahlungsvereinbarung geschlossen. Hier hat der Schuldner u.a. seine pfändbaren Anteile des Arbeitseinkommens gegen die Drittschuldnerin abgetreten. Nachfolgend hat er aber die Ratenzahlungsvereinbarung nicht eingehalten und es ist zu weiteren Vollstreckungshandlungen gekommen.
Erstattungsfähige Kosten für die Offenlage der Zwangsvollstreckung?
Letztlich haben wir die Abtretung gegenüber der Drittschuldnerin, der Arbeitgeberin des Schuldners, offengelegt. Wir stellen uns nun die Frage, welche Kosten der Schuldner für die Offenlage der Abtretung zu erstatten hat, eine volle Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG oder doch nur eine Verfahrensgebühr in der Zwangsvollstreckung nach Nr. 3309 VV RVG. Mit dem Gläubiger ist eine Vergütung nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vereinbart.
II. Die Lösung
Die Behandlung dieser Kosten ist streitig. Nach § 788 Abs. 1 ZPO hat der Schuldner zunächst die notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung zu tragen. Was darunter zu verstehen ist, begegnet keinem einheitlichen Verständnis, ist aber letztlich höchstrichterlich geklärt: Kosten der Zwangsvollstreckung sind Aufwendungen, deren Zweck darin besteht, die Befriedigung der titulierten Forderung zu erreichen (BGH NJW 2005, 2460 Rn 8, juris).
Hinweis
Der BGH folgt damit einem weiten Verständnis der "Kosten der Zwangsvollstreckung". Hiervon erfasst sind nicht nur die Aufwendungen, die unmittelbar und konkret zum Zweck der Vorbereitung und Durchführung der Zwangsvollstreckung gemacht werden, sondern sämtliche Aufwendungen des Gläubigers, die anlässlich der Zwangsvollstreckung entstanden oder kausal auf diese zurückzuführen sind.
LG Bremen: keine Kosten der Zwangsvollstreckung
Das LG Bremen ist (trotzdem) der Auffassung, dass in dieser Situation keine Erstattung der Kosten nach § 788 ZPO in Betracht komme. Obwohl es den BGH zitiert, stellt es dann aber allein auf die enge Auffassung ab. Ob Abtretungsanzeigen über Lohnabtretungen unmittelbar der Vorbereitung bzw. Durchführung der Zwangsvollstreckung dienten, sei umstritten:
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Teilweise werde eine grundsätzliche Erstattungsfähigkeit angenommen (LG Fulda v. 22.6.1983 – 2 T 45/83). |
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Teilweise werde eine Erstattungsfähigkeit bis zur Höhe der Kosten eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses angenommen (vgl. LG Köln Rpfleger 1983, 1038). |
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Teilweise werde auf den Zeitpunkt der Abtretungsanzeige abgestellt. Liege er vor der Titulierung, soll keine Erstattungsfähigkeit gegeben sein (LG Köln Rpfleger 1990, 183). |
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Teilweise werde angenommen, dass Abtretungsanzeigen über Lohnabtretungen nicht unter § 788 Abs. 1 ZPO fielen (Kindl/Meller-Hannich, Zwangsvollstreckung, ZPO § 788 Rn 35 m.w.N.). |
Die LG Bremen schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Die Kosten der Offenlegung einer Lohnabtretung stellten mit der sich anschließenden Vollstreckungshandlung eine Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG dar, so dass die Vergütung nur einmal verlangt werden könne.
Hinweis
Damit vermischt das LG Bremen zwei Fragen. Zunächst beachtet es die selbst zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung nicht, die die vorherige Streitfrage im Sinne der Gläubigervertreter entschieden hat. Sodann vermischt es die Frage der Gebühr mit der Frage der Angelegenheiten. Letztlich bleibt zu beachten, dass die Ansicht des LG Bremen den Umstand unberührt lässt, dass der Schuldner jedenfalls nach §§ 280, 286 BGB aus dem Gesichtspunkt des Verzuges zum Kostenersatz verpflichtet ist. Der BGH möchte nun gerade verhindern, dass es für den Kostenersatz einer neuen Klage bedarf (BGH a.a.O.).
AG Norderstedt: Es gibt eine Vollstreckungsgebühr
Das AG Norderstedt (5.3.2021 – 68 M 265/21) hat in einer solchen Situation jedenfalls keine Grundlage für eine 1,3-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG gesehen. Die Begründung dafür überzeugt: Es sei davon auszugehen, dass der Rechtsdienstleister (Rechtsanwalt oder Inkassodienstleister) zum Zeitpunkt der Offenlage der Abtretung längst mit der Forderungsdurchsetzung gegen den Schuldner lediglich noch im Rahmen eines reinen Vollstreckungsmandats handele. Dann könnten aber nur noch Vollstreckungsgebühren geltend gemacht werden (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl., Nr. 3309 VV Rn 33, 444).
Hinweis
Unabhängig von der Frage, ob es um die Vergütung oder die Erstattung geht, muss erst einmal geprüft werden, welcher Auftrag denn überhaupt erteilt wurde.
Vollstreckungsähnliche Handlung
Mit der Abtretungsanzeige werde lediglich eine Vollstreckungs- (ggf. vollstreckungsähnliche) Handlung vorgenommen (vgl. den Fall der Aufforderung zur Auskunftserteilung nach § 840 ZPO, Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl., Nr. 3309 VV Rn 216).
Hinweis
Natürlich wird mit der Offenlage der Abtretung nicht vollstreckt. An der Offenlage ist ja auch kein Vollstreckungsorgan – weder unmittelbar noch mitte...