Leitsatz
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit ist gem. § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG nach dem Wert zu bestimmen, den die zu erwirkende Handlung, Duldung oder Unterlassung für den Gläubiger hat.
BGH, Beschl. v. 12.4.2024 – I ZB 40/23
1 Der Fall
Gegenstandswert für abgelehnten Zwangsmittelantrag
Der Senat hat mit Beschluss vom 7.3.2024 die Rechtsbeschwerde der Gläubigerinnen gegen den Beschluss des LG vom 11.4.2023 zurückgewiesen. Mit dem angefochtenen Beschluss hatte das LG die Beschwerde der Gläubigerinnen gegen die Entscheidung des AG zurückgewiesen, mit dem dieses es abgelehnt hatte, gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft, festzusetzen.
Die beantragten Zwangsmittel sollten dazu dienen, die Schuldnerin dazu anzuhalten, die titulierte Verpflichtung zur Auskunft durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu erfüllen. Der Verfahrensbevollmächtigte der Gläubigerinnen hat nun beantragt, den Gegenstandswert für seine Tätigkeit festzusetzen.
2 II. Die Entscheidung
Auf den Antrag des Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerinnen, der als Antrag gemäß § 33 Abs. 1 RVG auszulegen ist, ist der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 2.000 EUR festzusetzen.
Für die Entscheidung über den Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG, den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit festzusetzen, wenn sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen oder es – wie hier – an einem solchen Wert fehlt (vgl. Nr. 2124 der Anlage 1 zum GKG), ist nach Inkrafttreten von § 1 Abs. 3 RVG auch beim Bundesgerichtshof nach § 33 Abs. 8 S. 1 Hs. 1 RVG grundsätzlich der Einzelrichter zuständig (vgl. BGH v. 9.8.2021 – GSZ 1/20, NJW 2021, 3191).
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit ist gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG nach dem Wert zu bestimmen, den die zu erwirkende Handlung, Duldung oder Unterlassung für die Gläubigerinnen hat. Ausgangspunkt für die Bemessung ist regelmäßig der Wert der Hauptsache. Ob hiervon gegebenenfalls nur ein Bruchteil zu berücksichtigen ist, was in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum umstritten ist (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 35. Aufl., § 3 Rn 16.127; Toussaint/Toussaint, Kostenrecht, 53. Aufl., § 25 RVG Rn 24; jeweils m.w.N.), bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
Interesse ist regelmäßig das Erfüllungsinteresse
Im Streitfall ging es den Gläubigerinnen mit der beantragten Festsetzung eines Zwangsgelds darum, dass die Schuldnerin die titulierte Handlung vornimmt. Dies rechtfertigt es, ihr Interesse an der Verhängung von Zwangsmitteln mit ihrem Erfüllungsinteresse gleichzusetzen (OLG Karlsruhe, ErbR 2016, 103). Das Erfüllungsinteresse bemisst der Senat mit 2.000 EUR.
Die zur beabsichtigten Festsetzung des Gegenstandswerts auf den Wert der Hauptsache angehörten Parteien haben hiergegen außerdem keine Einwendungen erhoben, die Anlass für eine abweichende Festsetzung geben könnten.
3 Der Praxistipp
Immer wieder wird in der Praxis verkannt, dass das Gericht in Nebenverfahren, in denen keine Kosten anfallen oder Festgebühren erhoben werden, keinen Gegenstandswert festsetzt.
Der Rechtsanwalt erhält seine Gebühren – wenn solche anfallen – aber auch in solchen Nebenverfahren nach dem Gegenstandswert. Er muss deshalb einen eigenständigen Antrag – aus eigenem Recht – auf Streitwertfestsetzung nach § 33 RVG stellen. Der BGH hat den unbestimmten Antrag in dieser Weise ausgelegt.
Die Entscheidung ergeht dann gerichtsgebührenfrei (§ 33 Abs. 9 S. 1 RVG), wobei Kosten nicht erstattet werden (§ 33 Abs. 9 S. 2 Hs. 1 RVG). Das macht es zumindest bis auf die eigene Arbeitskraft risikolos, einen angemessenen Wert erreichen zu wollen.
FoVo 7/2024, S. 137 - 138