Leitsatz
1. Mit der Beauftragung des Gerichtsvollziehers (GV) zur Abnahme der Vermögensauskunft einerseits und zur Vollstreckung des Haftbefehls andererseits liegen kostenrechtlich mehrere Aufträge vor. Dies ergibt sich aus der Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 4 GvKostG, wonach unbeschadet des Grundsatzes in Abs. 1 S. 1, dass ein Auftrag alle Amtshandlungen erfasst, die zu seiner Durchführung erforderlich sind, die Vollziehung eines Haftbefehls jedenfalls einen besonderen Auftrag darstellt.
2. Mehrere Aufträge können dazu führen, dass auch die Gebühr für den Versuch der gütlichen Erledigung mehrfach anfällt.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.1.2024 – 6 W 50/23
1 Der Fall
Zwei Aufträge mit zwei gütlichen Erledigungen
Die Landeskasse Brandenburg wendet sich gegen den Kostenansatz des GV, in den dieser für einen Versuch der gütlichen Einigung vor Vollstreckung eines Haftbefehls eine Gebühr nach § 9 GvKostG i.V.m. Anlage 1 Nr. 208 KV GvKostG (in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung, im Folgenden: a.F.) in Höhe von 8 EUR eingestellt hat. Die Landeskasse hat die Auffassung vertreten, der Gerichtsvollzieher dürfe die veranschlagte Gebühr nicht mehr erheben, weil er bereits zuvor im Zusammenhang mit dem Versuch, eine Vermögensauskunft einzuholen, eine Gebühr nach derselben Nummer des Kostenverzeichnisses angesetzt habe und der Antrag zur Vollziehung des Haftbefehls innerhalb von drei Monaten eingegangen sei.
(Erfolglose) Beschwerde der Landeskasse
Die Landeskasse hat unter dem 21.10.2022 gegen den Kostenansatz des Gerichtsvollziehers die Erinnerung eingelegt, die das AG zurückgewiesen und zugleich die Beschwerde zugelassen hat. Das von der Landeskasse eingelegte Rechtsmittel hat das LG Frankfurt (Oder) zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom LG zugelassene weitere Beschwerde, mit der die Landeskasse ihre Rechtsauffassung weiter verfolgt.
2 II. Die Entscheidung
Zulässige, aber unbegründete weitere Beschwerde
Die gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG i.V.m. § 66 Abs. 4 S. 1 GKG zulässige weitere Beschwerde, über die nach § 66 Abs. 6 S. 1 GKG der Senat in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung zu entscheiden hat, hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das LG die Beschwerde der Landeskasse gegen den Beschluss des AG zurückgewiesen.
Dieser Beschluss, der die Erinnerung der Landesjustizkasse gegen den Kostenansatz des GV zurückgewiesen hat, ist nicht zu beanstanden, denn die Kostenrechnung berücksichtigt berechtigt eine Gebühr in Höhe von 8 EUR gemäß § 9 GvKostG i.V.m. Nr. 208 KV GvKostG a.F.
Gebühr für den Versuch einer gütlichen Erledigung
Der Tatbestand des Nr. 208 KV GvKostG a.F. ist erfüllt: Nach Nr. 207 KV GvKostG a.F. erhält der GV für den Versuch einer gütlichen Erledigung (§ 802b ZPO) eine Gebühr von 16 EUR, die sich nach Nr. 208 KV GvKostG a.F. auf 8 EUR ermäßigt, wenn der Gerichtsvollzieher gleichzeitig mit einer auf eine Maßnahme nach § 802a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 oder 4 ZPO gerichteten Amtshandlung beauftragt war. Diese Voraussetzungen waren gegeben.
Der GV hatte die Schuldnerin vor Vollstreckung des durch das AG erlassenen Haftbefehls angeschrieben und ihr die Möglichkeit gegeben, zur Vermeidung der Vollstreckung des Haftbefehls die Forderung im Rahmen einer gütlichen Erledigung durch freiwillige Zahlung zu begleichen. Zuvor war der GV mit der Abnahme der Vermögensauskunft (§ 802a Abs. 2 Nr. 2 ZPO) und für den Fall, dass der Schuldner dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft unentschuldigt fernbleibt oder sich ohne Grund weigert, die Vermögensauskunft zu erteilen, mit der Beantragung des Erlasses eines Haftbefehls nach § 802g Abs. 1 ZPO beauftragt gewesen.
Ein Auftrag, eine gütliche Erledigung, aber mehrere Aufträge führen zu mehreren gütlichen Erledigungen
Der Berücksichtigung der Gebühr für den Versuch einer gütlichen Einigung nach Nr. 208 KV GvKostG a.F. im Kostenansatz des GV steht § 10 Abs. 1 S. 1 GvKostG nicht entgegen. Danach wird bei Durchführung desselben Auftrags eine Gebühr nach derselben Nummer des Kostenverzeichnisses nur einmal erhoben. Der GV hat entgegen der Ansicht der Landeskasse vorliegend nicht die Durchführung desselben Auftrags unternommen, vielmehr liegen mit der Beauftragung des GV zur Abnahme der Vermögensauskunft einerseits und zur Vollstreckung des Haftbefehls andererseits – kostenrechtlich – mehrere Aufträge vor. Dies ergibt sich aus der Regelung in § 3 Abs. 1 S. 4 GvKostG, wonach unbeschadet des Grundsatzes in Abs. 1 S. 1, dass ein Auftrag alle Amtshandlungen erfasst, die zu seiner Durchführung erforderlich sind, die Vollziehung eines Haftbefehls jedenfalls einen besonderen Auftrag darstellt (vgl. LG Kassel, 8.12.2017 – 3 T 433/17).
Dass die Anträge auf Vermögensauskunft und auf Vollstreckung eines Haftbefehls im Gegensatz zu der kostenrechtlichen Regelung verfahrensrechtlich als ein einheitlicher Auftrag zu qualifizieren sind, weil der Haftbefehl nur subsidiär der Verwirklichung des Auskunftsanspruchs des Gläubigers durch Abnahme der Vermögensauskunft dient und jeder Haftauftrag einen Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft impliziert, ...