Das Gericht widerlegt sich selbst

Das AG widerlegt sich selbst, wenn es eingangs auf den Pfändungsschutz nach § 765a ZPO abstellt, weil § 850k Abs. 4 ZPO keinen Schutz biete, um im nächsten Absatz darzulegen, dass die Leistungen der Krankenversicherung nach § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO unpfändbar sind. § 765a ZPO ist eine Ausnahmevorschrift, an die strenge Voraussetzungen gebunden sind, und gerade keine Billigkeitsvorschrift.

Pfändungsschutz für Erstattungen der Krankenkasse

Bezüge aus Witwen-, Waisen-, Hilfs- und Krankenkassen, die ausschließlich oder zu einem wesentlichen Teil zu Unterstützungszwecken gewährt werden, ferner Ansprüche aus Lebensversicherungen, die nur auf den Todesfall des Versicherungsnehmers abgeschlossen sind, wenn die Versicherungssumme 3.579 EUR nicht übersteigt, sind nach § 850k Abs. 4 i.V.m. § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO zwangslos unpfändbar. Es bedurfte deshalb keines Rückgriffs auf § 765a ZPO, der nicht einschlägig war.

 

Hinweis

Diese Einordnung eröffnet dem Gläubiger zumindest die Möglichkeit einer Billigkeitspfändung nach § 850b Abs. 2 ZPO, wenn andere Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren und die Pfändung der Billigkeit entspricht, etwa weil die Vollstreckungsforderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung stammt und die Krankheitskosten schon mit anderen Mitteln getilgt wurden.

Pfändungsschutz bei Beihilfeleistungen

Beamtenrechtliche Ansprüche auf Beihilfe im Krankheitsfall sind nach Ansicht des BGH (NJW-RR 2005, 720), der insoweit dem BVerwG folgt, höchstpersönlicher Natur und daher weder abtretbar noch pfändbar noch einer Aufrechnung zugänglich, §§ 394, 399 BGB, § 851 Abs. 1 ZPO. Gleiches gelte, wenn eine Zweckbindung vorliege. Den Pfändungsschutz leitet der BGH dabei aus § 851 Abs. 1 ZPO und § 850a Nr. 5 ZPO analog her. Zumindest § 850a ZPO ist aber in § 850k Abs. 4 ZPO genannt, so dass hierauf abzustellen war. Eines Rückgriffs auf § 765a ZPO bedarf es auch hier also nicht.

§ 765a ZPO als Ausnahmevorschrift sehen

Soweit § 765a ZPO zur Anwendung gebracht wird, muss der Charakter als Ausnahmevorschrift gesehen werden. Anzuwenden ist § 765a ZPO nur dann, wenn im Einzelfall das Vorgehen des Gläubigers nach Abwägung der beiderseitigen Belange zu einem untragbaren Ergebnis führen würde (st. Rspr. vgl. nur BGH FoVo 2011, 63). Das begründet zunächst die Subsidiarität gegenüber den speziellen Pfändungsschutzvorschriften. Es ist also nicht möglich, den danach bewusst versagten Pfändungsschutz zu erweitern. Vielmehr dient die Vorschrift der Erfassung atypischer Konstellationen, die der Gesetzgeber so nicht bedacht hat. Anders als das AG hier meint, ist damit § 765a ZPO auch keine Billigkeitsvorschrift. Die besondere Härte der Zwangsvollstreckung genügt so auch nicht für den Pfändungsschutz, sondern sie muss auch noch gegen die guten Sitten verstoßen. Die Entscheidungsgründe des AG tragen eine solche Feststellung jedenfalls nicht.

 

Hinweis

Gläubiger sollten bei entsprechenden Anträgen des Schuldners prüfen, inwieweit spezieller Pfändungsschutz besteht, um die Anwendung von § 765a ZPO auf dieser Grundlage zurückzuweisen.

FoVo 8/2017, S. 177 - 179

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?