AG sieht die Praxis
Eine Entscheidung, die Kenntnis von der Praxis des Forderungseinzuges zeigt, wenn darauf hingewiesen wird, dass der teilweise in Rechtsprechung und Literatur vertretene Gegenansicht nicht zu folgen ist, weil sie den Gläubiger übervorteilt und ihm so die Möglichkeit der vom Gesetzgeber für zulässig erachteten Kontokorrentpfändung nimmt. Denn faktisch stellt gerade die Kontokorrentpfändung die dem Gläubiger regelmäßig einzig verbleibende erfolgversprechende Vollstreckungsmaßnahme im Rahmen der Forderungspfändung nach § 829 ZPO dar.
Entscheidung ist gute Argumentationshilfe
Die Entscheidung setzt sich mit allen gängigen Argumentationslinien der Schuldner auseinander und begründet, warum diesen Einwendungen unter Heranziehung der Voraussetzungen von § 765a ZPO nicht zu folgen ist. Die Entscheidung kann dem Gläubiger und seinen Rechtsdienstleistern daher als Argumentationsgrundlage dienen.
Ausnahmevorschrift: die drei zentralen Voraussetzungen betonen
In besonderer Weise ist immer wieder darauf hinzuweisen, dass § 765a ZPO drei zentrale Voraussetzungen hat und dem Gericht keine Ermessensentscheidung im Sinne einer Billigkeitsentscheidung offen steht.
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Zunächst muss es sich um eine "besondere Härte" handeln, d.h. eine Folge der Zwangsvollstreckung, die gezielt den einzelnen Schuldner im Sinne eines "Sonderopfers" trifft. |
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Die besondere Härte muss dann auch noch gegen die guten Sitten verstoßen, mithin von allen billig und gerecht denkenden Personen als schlechterdings unerträglich angesehen werden. |
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Und in der letzten Stufe dürfen auch die Belange des Gläubigers nicht unberücksichtigt bleiben. Der Gläubiger hat seine Leistung erbracht und kämpft nun um die Gegenleistung. Solange auch nur eine kleine Perspektive besteht, dass die Befriedigung der Forderung gelingen kann, darf ihm diese Möglichkeit nicht genommen werden, nur damit es der Schuldner "etwas leichter hat" oder auch nur "lästiger Aufwand" vermieden wird. |
In der Praxis der Instanzgerichte wird immer wieder der auch vom BGH betonte Ausnahmecharakter von § 765a ZPO übersehen und im Sinne einer Billigkeitsentscheidung argumentiert. Dem muss der Gläubiger entschieden entgegentreten.
Reform der Kontopfändung bringt bald Änderungen
Die vorstehende Problematik wird den Gläubiger noch bis zum 31.12.2011 beschäftigen. Mit der am 10.7.2009 verkündeten Reform der Sachaufklärung (BGBl I 2009, 1707) wird der Gesetzgeber zum 1.7.2010 das Pfändungsschutzkonto als neues Instrument des Kontopfändungsschutzes einführen. Vom 1.7.2010 bis zum 31.12.2011 werden das neue und das alte System allerdings noch nebeneinander bestehen, wobei der bisherige § 850k dann zum neuen § 850l ZPO wird. Am 1.1.2012 treten dann § 850k a.F. (= 850l n.F.) ZPO, § 55 SGB I und § 76a EStG außer Kraft und der Kontopfändungsschutz wird dann allein über das Pfändungsschutzkonto gewährleistet. § 765a ZPO wird dann noch mehr an Bedeutung verlieren, weil mit § 833a Abs. 2 ZPO eine besondere Möglichkeit gegeben ist, die Pfändung des Kontos ganz aufzuheben (bis 31.12.2011) oder zeitlich auf bis zu 12 Monate zu beschränken.
Über die Reform der Kontopfändung informiert das im Deutschen Anwaltverlag neu erschienene Buch "Kontopfändung unter veränderten Rahmenbedingungen – Die Reform der Kontopfändung" von RiOLG Frank-Michael Goebel, das Ende Oktober 2009 ausgeliefert wird. Forderung & Vollstreckung wird über alle Details der Reform rechtzeitig zum Inkrafttreten informieren.