Eine im laufenden Monat auf dem Pfändungsschutzkonto eingehende, jedoch dem Folgemonat zuzuordnende Geldleistung (hier: Grundsicherung nach SGB II) steht dem Schuldner kraft Gesetzes nicht zu, wenn er den Pfändungsfreibetrag für den laufenden Monat nach § 850k Abs. 1 ZPO n.F. bereits ausgeschöpft hat.
Die Auszahlung des Betrages an den Gläubiger kann allerdings eine besondere Härte der Zwangsvollstreckung bedeuten, der der Schuldner mit einem Antrag nach § 765a ZPO entgegentreten kann.
LG Essen, 16.8.2010 – 7 T 404/10
I. Der Fall
Alte Pfändung – Schuldnerin reagiert am 1.7. mit P-Konto
Auf der Grundlage eines gegen die Schuldnerin erwirkten Vollstreckungsbescheides hat die Gläubigerin einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragt und am 22.9.2009 der Drittschuldnerin zustellen lassen, mit dem sie alle Ansprüche der Schuldnerin gegen ihr kontoführendes Kreditinstitut erfasste. Nach Einführung des § 850k ZPO n.F. zum 1.7.2010 wurde das Konto auf Betreiben der Schuldnerin von ihrem Kreditinstitut in ein Pfändungsschutzkonto umgewandelt. Der der Schuldnerin zustehende Pfändungsfreibetrag beläuft sich kraft Gesetzes auf 985,15 EUR zuzüglich des nach § 850k Abs. 2 Nr. 3 ZPO n.F. geschützten Kindergeldes.
Pfändungsfreibetrag ausgeschöpft – Gutschrift kommt verfrüht
Im Monat Juli 2010 schöpfte die Schuldnerin den ihr zustehenden Pfändungsfreibetrag bis zum 29.7.2010 voll aus. Nachfolgend gingen am 30.7.2010 auf dem bei der Drittschuldnerin geführten Pfändungsschutzkonto Sozialleistungen in Höhe von 864,- EUR ein, die für das Bestreiten des Lebensunterhaltes im August 2010 bestimmt waren (Grundsicherung nach SGB II). Die Drittschuldnerin verweigert eine Auszahlung von Kontoguthaben an die Schuldnerin mit dem Hinweis auf den ausgeschöpften Pfändungsfreibetrag im Juli 2010.
Die Schuldnerin, die diesen Geldbetrag unstreitig für das Bestreiten ihres Lebensunterhalts im August 2010 benötigt, beantragte am 10.8.2010 die Aufhebung der erfolgten Pfändung unter Hinweis auf § 765a ZPO. Mit Beschluss vom 11.8.2010 wies das AG diesen Antrag zurück. Zur Begründung verwies es darauf, dass für die Schuldnerin die erfolgte Pfändung schon deswegen keine sittenwidrige Härte darstellen könne, weil sie aufgrund der gesetzlichen Neuregelung in § 850k I ZPO ohnehin bereits seit Monatsbeginn wieder zur Verfügung über den monatlichen Pfändungsfreibetrag berechtigt sei. Dass das zugrunde liegende Kontoguthaben aus Zahlungseingängen im Juli 2010 resultiere, stünde dem nicht entgegen.
AG lehnt ab – Schuldnerin geht in Beschwerde
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Schuldnerin. Die Gläubigerin hat der Drittschuldnerin den Streit verkündet. Diese ist dem Zwangsvollstreckungsverfahren auf Seiten der Vollstreckungsschuldnerin beigetreten.
II. Die Entscheidung
Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Das AG hat den Antrag der Schuldnerin auf Gewährung von Vollstreckungsschutz zu Unrecht zurückgewiesen, denn die Voraussetzungen des § 765a ZPO für die Gewährung von Vollstreckungsschutz liegen im vorliegenden Fall vor. Dass die Schuldnerin allein wegen der vorlaufenden Gewährung von Sozialleistungen am Ende des Vormonates nunmehr für den Monat August keine genügenden Geldmittel zur Verfügung hat, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, stellt eine mit den guten Sitten nicht zu vereinbarende Härte dar. Gleichzeitig werden schutzwürdige Interessen der Gläubigerin nur unwesentlich beeinträchtigt, da nach der im gesamten Zwangsvollstreckungsrecht erkennbaren gesetzgeberischen Grundwertung Sozialleistungen zum Bestreiten des Lebensunterhaltes dem Gläubigerzugriff im Regelfall entzogen sein sollen.
Keine automatische Übertragung in den Bestimmungsmonat
Dabei liegt entgegen der Rechtsauffassung des AG eine grobe Härte für die Schuldnerin nicht schon deswegen nicht vor, weil diese trotz der im Juli 2010 erfolgten Pfändung und Überweisung im Monat August 2010 im Rahmen des Pfändungsfreibetrages wieder über das auf Eingängen des Vormonats basierende Guthaben frei verfügen könnte. Dass dies der Fall wäre, folgt insbesondere nicht aus der Regelung des § 850k I 1 ZPO n.F. Hiernach kann ein Schuldner bis zum Ende eines Kalendermonats in Höhe des monatlichen Freibetrages über sein Kontoguthaben frei verfügen. Insoweit wird das Kontoguthaben von der Pfändung nicht erfasst.
„Zurückfallen“ wäre systemwidrig
Dass einmal gepfändete und durch gerichtlichen Beschluss bereits zur Einziehung überwiesene Forderungen, also auch Zahlungen des Sozialhilfeträgers auf das Konto, die zur Sicherung des Lebensunterhalts für den nächsten Monat bestimmt sind, nach Beginn eines neuen Kalendermonats wieder an den Schuldner zurückfallen, so dass dieser in die Lage versetzt wird, seinen monatlichen Freibetrag aus diesem ursprünglich vorhandenen Guthabenanteil zu befriedigen, ergibt sich aus der Formulierung des Gesetzes nicht. § 55 Abs. 1-4 SGB I sind gem. § 55 Abs. 5 SGB I nicht anwendbar.
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