Reihenfolge der Abtretungen und Pfändungen bestimmen
Ist die Lohnabtretung vor der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erfolgt, läuft die Pfändung ins Leere, weil der Schuldner dann im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlagnahme, § 829 Abs. 3 ZPO, schon nicht mehr Inhaber der Forderung war. Liegen mehrere Abtretungen vor, so bestimmen sich deren Rangverhältnisse wie bei mehreren Pfändungen nach § 804 Abs. 3 ZPO, d.h. auch hier geht die frühere Abtretung der späteren vor.
Im Rahmen einer am 22.3.2010 abgeschlossenen Ratenzahlungsvereinbarung hat der Schuldner den pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens an den Gläubiger abgetreten. Seit Juli 2010 kommt der Schuldner seinen Ratenzahlungsverpflichtungen nun nicht mehr nach, worauf der Gläubiger die Abtretung gegenüber dem Arbeitgeber offenlegt. Dieser teilt nun mit, dass er die Abtretung nicht akzeptieren könne, da ihm bereits eine Abtretung vom 12.1.2010 vorliege.
Manipulationsgefahr ist groß
Die Manipulationsgefahr liegt auf der Hand: Durch die Rückdatierung einer Abtretung kann der Schuldner der Pfändung die Grundlage entziehen. Zwar ist dieses Verhalten strafrechtlich relevant, was jedoch so manchen Schuldner nicht schreckt. Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass solche Manipulationen nur mit einem größeren Aufwand aufgedeckt werden können, den nicht jeder Gläubiger betreiben will.
Der Gläubiger ist aber nicht machtlos
Der Gläubiger steht der Manipulation allerdings nicht machtlos gegenüber. Es bieten sich vielmehr unterschiedliche Reaktionsmöglichkeiten an.
Der erste Schritt: Herausgabe oder Auskunft verlangen
Zunächst ist vom Schuldner nach § 836 Abs. 3 ZPO die Abtretungsurkunde herauszuverlangen. Sie ist erforderlich, um die Durchsetzbarkeit des Anspruchs gegen den Drittschuldner zu prüfen (BGH NJW 2006, 1576; BGH NJW 2003, 1256; Musielak-Becker, ZPO, 7. Aufl., § 836 Rn 8; Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 836 Rn 13; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl. 2010, § 836 Rn 7). Zugleich hat der Schuldner darüber Auskunft zu geben, welchem Zweck die Abtretung diente, wenn sich dieser Zweck nicht schon aus der Abtretungsurkunde selbst ergibt.
Beachtet werden muss, dass den Drittschuldner, d.h. den Arbeitgeber, nach § 840 ZPO keine Verpflichtung trifft, die Abtretungsurkunde herauszugeben. Diese Verpflichtung trifft alleine den Schuldner nach § 836 Abs. 3 ZPO. Die Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des BGH dabei weit auszulegen, um unnötige Drittschuldnerprozesse zu vermeiden (BGH NJW 2006, 1576; Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 836 Rn 13).
Wendet der Schuldner ein, die Abtretung sei allein mündlich erfolgt und dem Arbeitgeber nur angezeigt worden, sollte von dem Schuldner die konkrete Darlegung des Abschlusses und des Inhaltes der Abtretungsvereinbarung als Auskunft verlangt werden.
Bei einem Manipulationsverdacht sollte die Abtretung gegenüber dem Arbeitgeber bestritten werden. Dabei ist er auf die Gefahr hinzuweisen, doppelt zahlen zu müssen. Der BGH (NJW 1987, 1703) hat etwa entschieden, dass wenn dem Drittschuldner nach einer wirksamen Forderungspfändung eine Abtretungsurkunde des Vollstreckungsschuldners vorgelegt wird, die auf einen Zeitpunkt vor der Pfändung rückdatiert, tatsächlich aber erst nach der Pfändung ausgestellt ist, er weder nach BGB § 408 noch nach BGB § 409 gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger von der Leistungspflicht frei wird, wenn er im Vertrauen auf die Urkunde und in Unkenntnis des zeitlichen Vorrangs der Pfändung an den in der Urkunde bezeichneten Abtretungsempfänger leistet oder mit ihm ein Rechtsgeschäft über die Forderung vornimmt. Ein Hinweis auf diese Entscheidung kann zumindest zu einer gütlichen Einigung zwischen Schuldner, Arbeitgeber, Abtretungsempfänger und Gläubiger führen.
Wurde der Lohn nicht gepfändet, sondern eine Sicherungsabtretung offengelegt, gilt § 836 Abs. 3 ZPO natürlich nicht. Der Gläubiger muss in diesen Fällen entweder in die Sicherungsabtretung eine entsprechende Vereinbarung aufnehmen, die er aber nicht unmittelbar vollstrecken kann, wenn der Schuldner ihr nicht nachkommt. Diese müsste vielmehr tituliert werden. Alternativ erlaubt die Rechtsprechung aus prozessökonomischen Gründen trotz der erfolgten Abtretung noch die Pfändung der abgetretenen Forderung, um sich die Möglichkeiten des § 836 Abs. 3 ZPO zu sichern.
Der zweite Schritt: Formalien prüfen
Liegt eine Abtretungsurkunde oder die Auskunft vor, sind zunächst die Formalien zu prüfen. Die Abtretung stellt nämlich einen Vertrag dar. Verträge kommen durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen, d.h. Antrag und Annahme, zustande, §§ 145 ff. BGB. Immer wieder zeigen sich aber Fälle, in denen die Unterschrift einer Vertragspartei fehlt.
Der dritte Schritt: auf Manipulation prüfen
Im nächsten Schritt sollte dann geprüft werden, ob Anzeichen für eine Manipulation vorliegen. Diese kann sich sowohl auf die Rückdatierung beziehen als auch auf den Inhalt. So kann eine Nachfrage beim Abtretungsempfän...