Leitsatz
Bei einem Haftbefehl gemäß § 802g Abs. 1 ZPO handelt es sich um ein Zwangsmittel i.S.v. § 570 Abs. 1 ZPO. Der sofortigen Beschwerde und der Rechtsbeschwerde (§ 575 Abs. 5 ZPO) gegen einen Haftbefehl kommt damit aufschiebende Wirkung zu.
BGH, Beschl. v. 18.6.2021 – I ZB30/21
1 Der Fall
Zwangsvollstreckung aus einem KFB: Der Schuldner ist nicht auskunftsfreudig
Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen einer Kostenrechnung. Am 12.9.2019 erließ das AG gegen den Schuldner den verfahrensgegenständlichen Haftbefehl nach § 802g Abs. 1 ZPO. Der Schuldner sei in dem zur Abgabe der Vermögensauskunft bestimmten Termin am 15.5.2018 vor der zuständigen Gerichtsvollzieherin ohne ausreichende Entschuldigung nicht erschienen. Der Beschluss des AG ist dem Schuldner am 14.1.2021 ausgehändigt worden. Auf seine sofortige Beschwerde vom selben Tag hat das LG den Beschluss des AG aufgehoben und dahingehend neu gefasst, dass das Datum des Termins zur Abgabe der Vermögensauskunft statt auf den 15.5.2018 auf den 5.9.2019 lautet.
Dagegen richtet sich die von der Einzelrichterin in den Gründen des Beschlusses zugelassene Rechtsbeschwerde des Schuldners. Ferner beantragt er, die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auszusetzen.
2 II. Die Entscheidung
BGH lehnt Aussetzung ab …
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Eine Vollstreckung des angegriffenen Haftbefehls ist während des anhängigen Rechtsbeschwerdeverfahrens bereits kraft Gesetzes ausgeschlossen.
… weil es nichts auszusetzen gibt
Gemäß § 570 Abs. 1 ZPO kommt der sofortigen Beschwerde aufschiebende Wirkung zu, wenn sie die Festsetzung eines Ordnungs- oder Zwangsmittels zum Gegenstand hat; die Vorschrift gilt nach § 575 Abs. 5 ZPO im Rechtsbeschwerdeverfahren entsprechend.
Bei dem mit der Rechtsbeschwerde angefochtenen Haftbefehl gemäß § 802g Abs. 1 ZPO, mit dem die Erteilung der Vermögensauskunft erzwungen werden soll, handelt es sich um ein Zwangsmittel i.S.v. § 570 Abs. 1 ZPO (vgl. BVerfG NJW 2018, 531 Rn 22). Nach ihrem ausdrücklich weiten Wortlaut schließt die Vorschrift auch Maßnahmen der Zwangsvollstreckung ein (vgl. BGH, Beschl. v. 17.8.2011 – I ZB 20/11, GRUR 2012, 427 Rn 8 bis 10 – aufschiebende Wirkung; Beschl. v. 16.5.2012 – I ZB 52/11, juris Rn 6; vgl. auch Zöller/Heßler, ZPO, 33. Aufl., § 570 Rn 2).
Eines zusätzlichen Aussetzungsbeschlusses bedarf es somit nicht. Es besteht deshalb kein Rechtsschutzbedürfnis für ein Verfahren zur Herbeiführung eines Aussetzungsbeschlusses gemäß §§ 570 Abs. 3, 575 Abs. 5 ZPO.
3 Der Praxistipp
Alternativen zum Haftbefehl bedenken
Der kurze Fall des BGH zeigt, wie schnell der Schuldner eine effektive Zwangsvollstreckung verzögern kann. Vom Erlass des Haftbefehls bis zur Zwischenentscheidung des BGH sind fast zwei Jahre vergangen. In dieser Zeit laufen Anfechtungsfristen für Vermögensübertragungen ebenso weiter, wie dem Schuldner rein tatsächlich die Möglichkeit bleibt, sein Einkommen und Vermögen dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen.
Vor diesem Hintergrund sollte der Gläubiger erwägen, statt oder jedenfalls neben dem Antrag auf Erlass eines Haftbefehls auch die Möglichkeiten der Drittauskünfte nach § 850l ZPO zu nutzen. In Ausnahmefällen mag sogar die Stellung eines Insolvenzantrages in Betracht gezogen werden.
FoVo 9/2021, S. 179 - 180