Das Monatsanfangsproblem ist durch ein Zusammenwirken von Schuldner und Drittschuldner entstanden und rechtfertigt keine Freigabe von verfrüht eingehenden Zahlungen nach § 765a ZPO.
Einer Freigabe nach § 765a ZPO bedarf es auch nicht, da das Kreditinstitut verpflichtet ist, den Betrag aufgrund der Zweckbindung in den Folgemonat zu übertragen.
AG Duisburg-Hamborn, 13.8.2010– 20 M 4318/09
I. Der Fall
Monatsanfangsproblem
Der Gläubiger hat die Forderungen des Schuldners gegen ein Kreditinstitut im Jahre 2009 gepfändet, darunter das Girokonto des Schuldners. Dieser hat nach dem 1.7.2010 das Girokonto in ein Pfändungsschutzkonto umgewandelt. Am 31.7.2010 sind auf dem P-Konto, nachdem der Schuldner seinen gesetzlichen Freibetrag nach § 850k Abs. 1 ZPO von 985,15 EUR zuvor bereits ausgeschöpft hatte, Leistungen der Arbeitsagentur für den Monat August 2010 eingegangen. Der Schuldner begehrt nunmehr die Freigabe dieser Gelder nach § 765a ZPO. Das Kreditinstitut verweigert die vollständige Auszahlung (restl. 625,24 EUR), da die Leistungen noch im Juli eingegangen sind. Der Schuldner habe den Freibetrag für den Monat Juli aufgebraucht, daher könne das Guthaben nicht als Freibetrag in den August übertragen werden.
II. Die Entscheidung
Keine durch den Gläubiger verursachte besondere Härte
Das AG Duisburg-Hamborn hat die Freistellung nach § 765a ZPO abgelehnt. § 765a Abs. 1 ZPO bestimmt, dass eine Vollstreckungsmaßnahme ganz oder teilweise aufzuheben ist, wenn sie unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Die Härte, die durch die besonderen Umstände des Einzelfalls gegeben ist, muss in der vom Gläubiger beauftragten Zwangsvollstreckungsmaßnahme liegen. Durch diese Maßnahme von Gerichtsvollzieher oder Vollstreckungsgericht im Auftrag des Gläubigers muss sich der Schuldner in einer Situation befinden bzw. in diese hineinkommen, in der nach den guten Sitten der Schutz schwerer wiegt als der rechtsstaatliche Anspruch des Gläubigers auf Befriedigung seiner Forderung. Vorliegend hat als Vollstreckungsmaßnahme die Gläubigerin einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB) gem. §§ 829, 835 ZPO im Jahre 2009 beantragt. Diesem Antrag hat das zuständige Vollstreckungsgericht am 21.12.2009 entsprochen. Seit diesem Entsprechen und der anschließenden Zustellung gem. § 829 Abs. 3 ZPO ist das Konto des Schuldners pfändungsbefangen, mit der Folge, dass pfändbare Beträge arrestatorium- und inhibitoriumsgemäß von der Drittschuldnerin an die Gläubigerin auszukehren sind.
Schuldner und Drittschuldner haben die Ursachen gesetzt
Nach der Gesetzesänderung zum 1.7. dieses Jahres hat der Schuldner im Zusammenwirken mit der Drittschuldnerin sein Konto in ein Pfändungsschutzkonto umgewandelt, im Rahmen der Bestimmungen des § 850k (neu) ZPO. Nach dieser Umwandlung verweigert ihm die Drittschuldnerin nunmehr die Auszahlung von Geldern mit der Begründung, dass für ihn am 31.7.2010 vom Arbeitsamt (AA) Duisburg überwiesene Gelder gem. § 850k Abs. 1 ZPO nicht pfandfrei wären. Somit liegt die Härte, welche mit den guten Sitten nicht vereinbar sein soll, nicht in der Vollstreckungsmaßnahme des Gläubigers begründet, sondern in dem Handeln von Schuldner und Drittschuldner.
Beratungsverschulden des Kreditinstitutes?
Der Schuldner hat sein Konto aus freiem Willen und Zusammenwirken mit der Drittschuldnerin, seiner Bank, von einem normalen Girokonto in ein P-Konto gewandelt. Die Drittschuldnerin hat an dieser Umwandlung mitgewirkt, obschon sie hätte sehen müssen, dass sie bei der Kadenz, in der die Zahlung für den Lebensunterhalt des Schuldners eingehen, diesem die Auszahlung bei ihrer Rechtsauffassung – auf § 850k Abs. 1 ZPO gegründet – hätte verweigern müsste. Da die Härte also nicht in der Vollstreckungsmaßnahme des Gläubigers begründet ist (dieser ist bei der Umwandlung von einem normalen Girokonto in ein P-Konto nicht beteiligt), sondern in dem Zusammenwirken von Schuldner und Drittschuldner, kann der Schuldnerschutz gem. § 765a Abs. 1 ZPO keine Anwendung finden – mit Härten allerdings, die die Zwangsvollstreckung tatsächlich mit sich bringt. Damit, dass diese überhaupt durchgeführt wird, muss sich der Schuldner abfinden (vgl. Zöller zu § 765a ZPO Rn 5), erst recht, wenn er diese Härte selbst oder wie hier im Zusammenspiel mit der Drittschuldnerin selbst begründet.
Entsprechend ist der hierauf gestellte Antrag des Schuldners als unzulässig zurückzuweisen.
Obiter dictum: Kreditinstitut muss wertende Zuordnung vornehmen
Soweit die Drittschuldnerin davon ausgeht, dass eine Verfügung über das auf dem Konto befindliche Guthaben nicht möglich ist, da die Leistungen vom Arbeitsamt (AA) Duisburg am 31.7.2010 eingegangen sind, der Schuldner jedoch den Freibetrag für den Monat Juli aufgebraucht habe, ist diese Auffassung rechtsfehlerhaft und bei Kenntnis und verständiger Würdigung von Entwurf und Begründung des Gesetzes (BT-Drucks 16/7615 v. 19.12...