Leitsatz

Die Zivilprozessordnung eröffnet die Möglichkeit, einen gepfändeten Gegenstand im Gewahrsam des Schuldners zu belassen, sofern dadurch nicht die Befriedigung des Gläubigers gefährdet wird. Es besteht grundsätzlich keine Amtspflicht zugunsten des Schuldners, den Gegenstand in Verwahrung zu nehmen, um etwaigen Schäden an dem gepfändeten Gegenstand im Zuge des fortbestehenden Besitzes des Schuldners vorzubeugen.

OLG München, 7.2.2012 – 1 W 198/12

I. Der Fall

Die Antragstellerin begehrt PKH für eine beabsichtigte Amtshaftungsklage gegen den Freistaat Bayern. Sie meint, der Antragsgegner müsse ihr Schadensersatz in Höhe von mindestens 300 EUR leisten, da der GV ein ehemals auf die Antragstellerin zugelassenes Fahrzeug lediglich gepfändet, nicht jedoch in Verwahrung genommen habe. Das Fahrzeug, das sich zum Zeitpunkt der Pfändung auf einem Wiesengrundstück gegenüber der damaligen Wohnung der Antragstellerin befand, wurde nach der Pfändung – wohl von der Antragstellerin – in eine Werkstatt gebracht. Es stand schließlich am 1.5.2010 auf einem Parkplatz in B. und wurde dort von Unbekannten (mutmaßlich im Zuge eines Freinacht-Scherzes) beschädigt. Das LG hat den PKH-Antrag zurückgewiesen.

II. Die Entscheidung

Keine Amtspflicht, die gepfändete Sache zu entfernen

Die ZPO, auf die die Abgabenordnung verweist, eröffnet die Möglichkeit, einen gepfändeten Gegenstand im Gewahrsam des Schuldners zu belassen, sofern dadurch nicht die Befriedigung des Gläubigers gefährdet wird. Es besteht grundsätzlich keine Amtspflicht zugunsten des Schuldners, den Gegenstand in Verwahrung zu nehmen, um etwaigen Schäden an dem gepfändeten Gegenstand im Zuge des fortbestehenden Besitzes des Schuldners vorzubeugen. Besondere Umstände, die es rechtfertigen würden, ausnahmsweise eine Amtspflicht des GV zu begründen, zum Schutz des Eigentums des Schuldners den gepfändeten Gegenstand in Verwahrung zu nehmen, sind nicht ersichtlich.

Kein Fall des § 765a ZPO

Soweit die Antragstellerin meint, der Schutzbereich des § 765a ZPO sei beeinträchtigt worden, betrifft die Vorschrift genau den umgekehrten Fall, nämlich dass von Vollstreckungsmaßnahmen abgesehen werden soll, wenn diese eine sittenwidrige Härte darstellen würden. Hier rügt die Antragstellerin jedoch, dass eine noch weitreichendere Vollstreckungsmaßnahme hätte ergriffen werden sollen (Pfändung und Sicherstellung statt Pfändung und Belassen des Gegenstandes im Gewahrsam des Schuldners). Abgesehen davon setzt § 765a ZPO einen Antrag des Schuldners beim Vollstreckungsgericht voraus. Dass ein derartiger Antrag gestellt wurde, ist nicht ersichtlich.

Eigenverschulden des Schuldners

Im Übrigen würde die beabsichtigte Klage jedenfalls daran scheitern, dass die Antragstellerin entweder selbst das Fahrzeug von dem ursprünglichen Platz entfernt hat oder der Wagen zumindest mit ihrem Wissen und Wollen dort weggebracht und nicht wieder zurückgebracht wurde und sich nur dadurch die Möglichkeit für Unbekannte eröffnete, den Wagen auf dem Parkplatz in B. zu beschädigen.

III. Der Praxistipp

Entscheidung gibt wichtigen Hinweis für die Vollstreckungspraxis

Die Entscheidung gibt für die Praxis einen ganz wichtigen Hinweis. Findet der GV beim Schuldner einen Pkw oder ein Motorrad, so handelt es sich meist um einen wertvollen Gegenstand, der eine nicht nur unerhebliche (Teil-)Befriedigung des Gläubigers verspricht. Nicht selten verdirbt der GV dem Gläubiger aber die Freude, wenn dieser für das weitere Verfahren, nämlich die Entfernung des Fahrzeuges aus dem Gewahrsam des Schuldners und die Einlagerung, einen Kostenvorschuss zwischen 500 EUR und 1.500 EUR zahlen soll.

§ 157 GVGA müssen Sie kennen!

Dass ein solcher Vorschuss gefordert wird, muss aber nicht das letzte Wort sein. Statt angesichts eines solchen Vorschusses und der ungewissen Erstattung (§ 788 ZPO) auf die Pfändung des Pkw zu verzichten, sollte lieber darauf verzichtet werden, den Pkw aus dem Gewahrsam des Schuldners zu beseitigen. Die Möglichkeit dazu gibt § 157 GVGA. Nach § 157 Nr. 1 S. 1 GVGA ist bei der Pfändung eines Pkw in der Regel davon auszugehen, dass die Befriedigung des Gläubigers gefährdet wird, wenn das Fahrzeug im Gewahrsam des Schuldners verbleibt. Aus diesem Grunde hat der GV es in Besitz zu nehmen. Dies gilt nach § 157 Nr. 1 S. 2 GVGA allerdings dann nicht, wenn der Gläubiger damit einverstanden ist, dass es im Gewahrsam des Schuldners bleibt, oder eine Wegnahme aus sonstigen Gründen ausnahmsweise nicht erforderlich erscheint.

So müssen Sie handeln

Es ist also an dem Gläubiger, bereits im Sachpfändungsauftrag

dem GV aufgrund eines zielgerichteten Informationsmanagements einen gezielten Hinweis auf einen Pkw im Gewahrsam des Schuldners zu geben,
im Vollstreckungsauftrag die Pfändung eben dieses Pkw zu verlangen (§§ 58, 104 GVGA) und
dem Gerichtsvollzieher nach § 157 Nr. 1 S. 2 GVGA die Weisung zu erteilen, den Pkw im Gewahrsam des Schuldners zu belassen.

Soweit der Schuldner – was kaum die Regel sein dürfte – wider die Pfändung den Pkw beschädigt oder aus seinem Gewahrsam entfernt, steht sich der Gläub...

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