Leitsatz
1. § 767 ZPO ist gemäß § 120 Abs. 1 FamFG auf die Vollstreckung in Familienstreitsachen anwendbar.
2. Der Pfändungsbeschluss ist auch bei einem Verstoß gegen ein Pfändungsverbot nicht wirkungslos oder nichtig, sondern nur anfechtbar; er ist bis zur Aufhebung auf ein Rechtsmittel vom Schuldner und vom Drittschuldner zu beachten (BGH NJW-RR 2009, 211).
3. Den Drittschuldner schützt § 836 Abs. 2 ZPO; zu seinen Gunsten gilt der zu Unrecht erlassene Überweisungsbeschluss bis zu seiner Aufhebung als rechtsgültig.
4. Der Drittschuldner kann bei seiner Inanspruchnahme die Unpfändbarkeit der vom Gläubiger geltend gemachten Forderung nur eingeschränkt geltend machen, wenn diese nicht auf eine prozessuale Bestimmung gestützt wird, sondern in dem materiellen Schuldverhältnis ihren Grund hat.
5. Der Drittschuldner kann im Prozess mit dem Gläubiger die Unpfändbarkeit des gepfändeten Anspruchs nicht geltend machen, wenn dieser lediglich gemäß §§ 850b Abs. 2, 850c ZPO relativ unpfändbar ist.
BGH, 9.8.2012 – VII ZB 86/10
I. Der Fall
Gläubigerin pfändet Unterhaltsanspruch "einschränkungslos"
Der Schuldner hat gegenüber der Drittschuldnerin einen Anspruch auf Trennungsunterhalt, den die Gläubigerin gepfändet hat. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB) wurde ohne Hinweise auf Pfändungsschutzvorschriften erlassen. Die Drittschuldnerin hat die Forderung aus dem PfÜB in Höhe des rückständigen Trennungsunterhalts von sieben Monaten à 750,– EUR = 5.250,– EUR erfüllt und den Betrag an die Gläubigerin überwiesen.
Schuldner geht gegen Drittschuldner vor
Der Schuldner hat gegen die Drittschuldnerin wegen des titulierten rückständigen Trennungsunterhaltes seinerseits die Zwangsvollstreckung eingeleitet. Die Drittschuldnerin hat darauf Vollstreckungsgegenklage in Höhe der an die Gläubigerin abgeführten Beträge erhoben und geltend gemacht, dass sie an den einschränkungslos ergangenen PfÜB gebunden gewesen sei. Demgegenüber macht der Schuldner geltend, die Drittschuldnerin habe genau gewusst, dass die Unterhaltsansprüche der Pfändung nicht unterworfen gewesen seien. Während das AG die Klage abgewiesen hat, hat das OLG die Sachlage abweichend beurteilt.
II. Die Entscheidung
OLG: Vollstreckungsgegenklage auch in Familienstreitsachen
Einwendungen gegen festgestellte materielle Leistungsansprüche sind mit der sogenannten Vollstreckungsabwehrklage (oder Vollstreckungsgegenklage) des § 767 ZPO geltend zu machen, gleichgültig, ob diese Einwendungen rechtsvernichtend (wie hier die Erfüllung) oder nur rechtshemmend sind. Die Klage nach § 767 ZPO ist eine prozessuale Gestaltungsklage. Streitgegenstand ist allein die gänzliche oder teilweise endgültige Vernichtung der Vollstreckbarkeit. Der Klageantrag geht dahin, die Zwangsvollstreckung aus dem angegriffenen Titel für unzulässig zu erklären. § 767 ZPO ist gemäß § 120 Abs. 1 FamFG auf die Vollstreckung in Familienstreitsachen anwendbar (OLG Saarbrücken MDR 2011, 168 f.; Zöller/Feskorn, ZPO, 29. Aufl., § 95 FamFG Rn 1, 10).
PfÜB nur anfechtbar
Der PfÜB ist auch bei einem Verstoß gegen ein Pfändungsverbot nicht wirkungslos oder nichtig, sondern nur anfechtbar; er ist bis zur Aufhebung auf ein Rechtsmittel vom Schuldner und vom Drittschuldner zu beachten (BGH NJW-RR 2009, 211; Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., 2. Kapitel, Rn 750). Ein PfÜB kann ohne Wirkung sein, wenn die Zustellung an den Drittschuldner nicht erfolgt ist (§ 829 Abs. 3 ZPO) oder wenn die gepfändete Forderung nicht besteht. Eine Unwirksamkeit kann vorliegen, wenn der Vollstreckungsakt als solcher nichtig ist, z.B. bei Fehlen der funktionellen Zuständigkeit bei Erlass des PfÜB, oder wenn der Pfändungsgegenstand nicht hinreichend genug bestimmt ist (vgl. Zöller/Stöber, a.a.O., § 829 Rn 23). Bei einem Verstoß gegen ein Pfändungsverbot oder eine Pfändungsbeschränkung, der keine Nichtigkeit bewirkt, ist lediglich die Anfechtung möglich (LG Lüneburg JurBüro 2008, 497). Der anfechtbare PfÜB ist bis zu seiner Aufhebung wirksam. Den Drittschuldner schützt § 836 Abs. 2 ZPO; zu seinen Gunsten gilt der zu Unrecht erlassene PfÜB bis zu seiner Aufhebung als rechtsgültig (Stöber, a.a.O., Rn 750).
Drittschuldner hat kaum eine Wahl
Der Drittschuldner kann bei seiner Inanspruchnahme die Unpfändbarkeit der vom Gläubiger geltend gemachten Forderung nur eingeschränkt geltend machen, wenn diese nicht auf eine prozessuale Bestimmung gestützt wird, sondern in dem materiellen Schuldverhältnis ihren Grund hat, d.h. "in der eigenen materiellen Rechtsstellung des Schuldners", z.B. wenn die Forderung nach sachlichem Recht nicht abtretbar ist (§ 851 Abs. 1 ZPO). Der Drittschuldner kann im Prozess mit dem Gläubiger die Unpfändbarkeit des gepfändeten Anspruchs nicht geltend machen, wenn dieser lediglich gemäß §§ 850b Abs. 2, 850c ZPO relativ unpfändbar ist (OLG Celle NJW 1962, 1731). Auch der BGH hat entschieden, dass es offen bleiben kann, ob die Pfändung des streitgegenständlichen Anspruchs unter Verletzung pfändungsschutzrechtlicher Bestimmungen bewirkt worden ist und wie weit ein etwaiger Pfändungssc...