Leitsatz
Die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung setzt voraus, dass der antragstellende Gläubiger den Fortbestand des Vollstreckungsanspruchs glaubhaft macht.
OLG Düsseldorf, 19.10.2012 – 7 W 56/12
1 I. Der Fall
Mehrere Bevollmächtigte der Gläubigerin
Die Gläubigerin wendet sich gegen die Zurückweisung ihres Antrags auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung eines Vergleichsbeschlusses nach § 278 Abs. 6 ZPO. Im gerichtlichen Verfahren hatten sich für die Gläubigerin zwei Rechtsanwaltskanzleien bestellt. Die ursprüngliche vollstreckbare Ausfertigung des Vergleiches wurde der Kanzlei W, B amp Partner erteilt.
Erfüllung gegenüber einem Bevollmächtigten
Der Schuldner überwies den Vergleichsbetrag von 9.300 EUR an diese Kanzlei und erhielt eine Quittung sowie die vollstreckbare Ausfertigung. Die Kanzlei leitete den Betrag jedoch nicht an die Gläubigerin weiter, sondern verrechnete ihn auf eigene Forderungen gegen diese.
Gläubigerin bestreitet Empfangsvollmacht und will zweite Ausfertigung
Die Gläubigerin hat die Erteilung einer zweiten vollstreckbaren Ausfertigung beantragt. Sie hat behauptet, sie habe Rechtsanwalt M zu keiner Zeit bevollmächtigt, die Vergleichssumme in Empfang zu nehmen, und eine entsprechende eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers vorgelegt. Das LG hat den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die ehemaligen Prozessbevollmächtigten "des Klägers" hätten diesen langfristig bei unterschiedlichsten Prozessen vertreten und seien in jedem Verfahren geldempfangsbevollmächtigt gewesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Gläubigerin, mit der vorgetragen wird, die Kanzlei W, B und Partner habe zu keiner Zeit Prozess- oder Geldempfangsvollmacht gehabt.
2 II. Die Entscheidung
Berechtigtes Interesse als Voraussetzung
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist zulässig und begründet. Die Gläubigerin hat einen Anspruch darauf, dass ihr eine weitere vollstreckbare Ausfertigung erteilt wird. Aus dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelung und dem Normzweck des § 733 ZPO folgt, dass, wenn nicht die erteilte Ausfertigung zurückgegeben wird, eine weitere vollstreckbare Ausfertigung nur erteilt werden soll, wenn der Gläubiger hierfür ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und wenn nicht überwiegende Interessen des Schuldners entgegenstehen (OLG Celle MDR 2009, 827; OLG Saarbrücken OLGR 2007, 837, 838; OLG Hamm FamRZ 1998, 640; OLG Frankfurt NJW-RR 1988, 512; MüKoZPO-Wolfsteiner, 3. Aufl., § 733 Rn 12).
Interesse auch nach Rückgabe an den Schuldner möglich, aber umstritten!
Ein schützenswertes Interesse des Gläubigers besteht grundsätzlich, wenn ihm die erste Ausfertigung nicht mehr zur Verfügung steht, und zwar nicht nur bei Verlust, sondern auch dann, wenn er sie dem Schuldner zurückgegeben hat. Umstritten ist, ob und ggf. in welchem Umfang im letztgenannten Fall weitere Voraussetzungen zu prüfen sind.
Ansicht 1: Immer erteilen
Der Ansicht, es komme nicht darauf an, ob die vollstreckbare Ausfertigung zu Recht oder zu Unrecht zurückgegeben worden sei (MüKoZPO-Wolfsteiner, 3. Aufl., § 733 Rn 13 f.), vermag der Senat sich nicht anzuschließen. Folgte man ihr, wäre die Herausgabe des Titels durch den Gläubiger an den Schuldner, die in der Praxis erhebliche Bedeutung hat und nicht selten von Schuldnern im Klageweg begehrt wird, im Ergebnis bedeutungslos.
Ansicht 2: Gläubiger muss Anspruch beweisen
Das Erfordernis eines vollständigen Nachweises der Berechtigung zur weiteren Vollstreckung (LG Hechingen Rpfleger 1984, 151; Zöller-Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 733 Rn 12) würde andererseits die Möglichkeiten des Klauselerteilungsverfahrens sprengen und den Grundsatz verletzen, dass der Erfüllungseinwand im Wege der Klage gemäß § 767 ZPO geltend zu machen ist (OLG Saarbrücken OLGR 2007, 837; MüKoZPO-Wolfsteiner, 3. Aufl., § 733 Rn 13 f.), zumal selbst die Vorlage einer Quittung des Gläubigers ebenso wie das Vorliegen der sonstigen in § 775 Nr. 4, 5 ZPO genannten Fälle anerkanntermaßen die Klauselerteilung nicht hindert (MüKoZPO-Wolfsteiner, 3. Aufl., § 733 Rn 11 i.V.m. § 724 Rn 43). Dafür, die endgültige Klärung einer von dem Schuldner zu erhebenden Vollstreckungsabwehrklage zu überlassen, spricht auch, dass dem Gläubiger im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens keine Klagemöglichkeit zur Verfügung steht – eine Klauselerteilungsklage ist nicht möglich (Zöller-Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 733 Rn 14) –, so dass er in der Hauptsache neu klagen und einen weiteren Titel erstreiten müsste. Selbst wenn man dem nicht folgen und annehmen wollte, die Herausgabe der entwerteten vollstreckbaren Ausfertigung an den Schuldner führe dazu, dass der Gläubiger im Klauselerteilungsverfahren den vollen Nachweis führen müsste, könnte das nur gelten, wenn die vollstreckbare Ausfertigung mit seinem Willen an den Schuldner herausgegeben worden ist. Gerade das steht im vorliegenden Fall nicht fest. Die Gläubigerin beruft sich darauf, Rechtsanwalt M sei zur Herausgabe des Titels nicht bevollmächtigt gewesen.
Ansicht 3: Anspruch...