Leitsatz (amtlich)
Ein schützenswertes Interesse des Gläubigers an der Erteilung einer zweiten vollstreckbaren Ausfertigung besteht, wenn ihm die erste Ausfertigung nicht mehr zur Verfügung steht. Das gilt auch, wenn er diese dem Schuldner entwertet zurückgegeben hat. Erforderlich, aber auch ausreichend ist in diesem Fall, dass der Gläubiger die weitere Berechtigung zur Zwangsvollstreckung glaubhaft macht. Den Einwand der Erfüllung muss der Schuldner im Wege der Vollstreckungsabwehrklage geltend machen.
Normenkette
ZPO § 733
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Gläubigerin begehrt die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung eines Beschlusses, durch den das LG gem. § 278 Abs. 6 ZPO das Zustandekommen eines Vergleichs zwischen den Parteien festgestellt hat. Die erste vollstreckbare Ausfertigung war der Gläubigerin zu Händen der Rechtsanwälte X erteilt worden, die - neben anderen Rechtsanwälten - im streitigen Verfahren für sie aufgetreten waren. Nachdem der Schuldner den Vergleichsbetrag an die Rechtsanwälte X gezahlt hatte, händigten diese ihm die vollstreckbare Ausfertigung aus. Die Gläubigerin behauptet, die Rechtsanwälte X seien nicht zum Geldempfang bevollmächtigt gewesen, und legt eine dies bestätigende eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers vor. Das LG hat den Antrag auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hatte Erfolg.
Entscheidungsgründe
(...) Aus dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelung und dem Normzweck des § 733 ZPO folgt, dass, wenn nicht die erteilte Ausfertigung zurückgegeben wird, eine weitere vollstreckbare Ausfertigung nur erteilt werden soll, wenn der Gläubiger hierfür ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und wenn nicht überwiegende Interessen des Schuldners entgegenstehen (OLG Celle MDR 2009, 827; OLG Saarbrücken OLGReport Saarbrücken 2007, 837, 838; OLG Hamm FamRZ 1998, 640; OLG Frankfurt NJW-RR 1988, 512; Wolfsteiner in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 733 Rz. 12). Ein schützenswertes Interesse des Gläubigers besteht grundsätzlich, wenn ihm die erste Ausfertigung nicht mehr zur Verfügung steht, und zwar nicht nur bei Verlust, sondern auch dann, wenn er sie dem Schuldner zurückgegeben hat. Umstritten ist, ob und ggf. in welchem Umfang im letztgenannten Fall weitere Voraussetzungen zu prüfen sind. Der Ansicht, es komme nicht darauf an, ob die vollstreckbare Ausfertigung zu Recht oder zu Unrecht zurückgegeben worden sei (Wolfsteiner in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 733 Rz. 13 f.), vermag der Senat sich nicht anzuschließen. Folgte man ihr, wäre die Herausgabe des Titels durch den Gläubiger an den Schuldner, die in der Praxis erhebliche Bedeutung hat und nicht selten von Schuldnern im Klageweg begehrt wird, im Ergebnis bedeutungslos. Das Erfordernis eines vollständigen Nachweises der Berechtigung zur weiteren Vollstreckung (in diese Richtung LG Hechingen Rpfleger 1984, 151; Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 733 Rz. 12) würde andererseits die Möglichkeiten des Klauselerteilungsverfahrens sprengen und den Grundsatz verletzen, dass der Erfüllungseinwand im Wege der Klage gem. § 767 ZPO geltend zu machen ist (OLG Saarbrücken OLGReport Saarbrücken 2007, 837; Wolfsteiner in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 733 Rz. 13 f.), zumal selbst die Vorlage einer Quittung des Gläubigers ebenso wie das Vorliegen der sonstigen in § 775 Nr. 4, 5 ZPO genannten Fälle anerkanntermaßen die Klauselerteilung nicht hindert (Wolfsteiner in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 733 Rz. 11 i.V.m. § 724 Rz. 43). Dafür, die endgültige Klärung einer von dem Schuldner zu erhebenden Vollstreckungsabwehrklage zu überlassen, spricht auch, dass dem Gläubiger im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens keine Klagemöglichkeit zur Verfügung steht - eine Klauselerteilungsklage ist nicht möglich (Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 733 Rz. 14) -, so dass er in der Hauptsache neu klagen und einen weiteren Titel erstreiten müsste.
Selbst wenn man dem nicht folgen und annehmen wollte, die Herausgabe der entwerteten vollstreckbaren Ausfertigung an den Schuldner führe dazu, dass der Gläubiger im Klauselerteilungsverfahren den vollen Nachweis führen müsste, könnte das nur gelten, wenn die vollstreckbare Ausfertigung mit seinem Willen an den Schuldner herausgegeben worden ist. Gerade das steht im vorliegenden Fall nicht fest. Die Gläubigerin beruft sich darauf, Rechtsanwalt Y sei zur Herausgabe des Titels nicht bevollmächtigt gewesen.
Ausreichend, aber auch erforderlich ist daher, dass der Gläubiger die weitere Berechtigung zur Zwangsvollstreckung glaubhaft macht (OLG Hamm Rpfleger 79, 431; BeckOK/ZPO-Ulrici, Stand 15.7.2012, § 733 Rz. 5.2; Prütting/Gehrlein/Kroppenberg, ZPO, 4. Aufl., § 733 Rz. 5; in diese Richtung deutet auch die von dem LG zitierte Entscheidung BGH NJW 1994, 1161 = DNotZ 1994, 471).
Die Gläubigerin hat glaubhaft gemacht, dass die titulierte Forderung nicht durch Erfüllung erloschen ist, weil die Kanzlei X, der ...