Pacta sunt servanda

Wird von dem Gerichtsvollzieher mit dem Schuldner eine (erste) Ratenzahlungsvereinbarung nach § 802b ZPO geschlossen und hält der Schuldner seine Raten ein, ist die Vollstreckung nach § 802b Abs. 2 S. 2 ZPO aufgeschoben. Diese Rechtsfolge zugunsten des Schuldners, aber auch des ersten Gläubigers steht nach dem eindeutigen Wortlaut von § 802b Abs. 3 S. 2 und 3 ZPO nicht zur Disposition des Gerichtsvollziehers. Er kann diese Vereinbarung also nicht einseitig beenden. In diesem Sinne besteht sehr wohl auch ein § 804 Abs. 3 ZPO entsprechendes Rangverhältnis, solange nur der Schuldner seinen Verpflichtungen nachkommt.

Gläubiger 2: neue Prüfung der ­Leistungsfähigkeit

Erteilt nun ein zweiter Gläubiger einen Vollstreckungsauftrag verbunden mit der Option einer gütlichen Einigung, prüft der Gerichtsvollzieher nach § 802b ZPO, § 68 Abs. 4 GVGA für diesen Gläubiger gesondert die Leistungsfähigkeit des Schuldners. Dabei ist selbstverständlich zu berücksichtigen, dass der Schuldner an einen anderen Gläubiger bereits Raten zahlt. Besteht darüber hinaus keine Leistungsfähigkeit, scheitert eine (weitere) Ratenzahlungsvereinbarung nach § 802b ZPO. Dies lässt allerdings die Vereinbarung mit dem ersten Gläubiger unberührt. § 802b Abs. 3 S. 3 ZPO bestimmt ausdrücklich, dass der Vollstreckungsaufschub erst endet, wenn der Schuldner mit einer festgesetzten Zahlung ganz oder teilweise länger als zwei Wochen in Rückstand gerät, nicht aber in anderen Fällen.

 

Hinweis

Allerdings muss der Gerichtsvollzieher auch prüfen, wie lange die erste Ratenzahlungsvereinbarung noch läuft. Es ist nämlich auch denkbar, dass der Gerichtsvollzieher dem Schuldner nach § 802b Abs. 2 S. 1, 1. Alt. ZPO zunächst eine Zahlungsfrist bis zum Ablauf der ersten Ratenzahlungsvereinbarung bewilligt und nachfolgend einen Zahlungsplan für den zweiten Gläubiger aufstellt. Es obliegt dann dem zweiten Gläubiger nach § 802b Abs. 3 ZPO, sich hierauf einzulassen oder unverzüglich zu widersprechen. Seine Entscheidung wird dabei auch von den kurzfristigen Alternativen und der Kosten/Nutzen-Relation abhängen.

 

Beispiel

Der Gerichtsvollzieher hatte mit dem Schuldner eine Ratenzahlungsvereinbarung wegen einer Gesamtforderung des Gläubigers 1 von 450 EUR über neun Monatsraten à 50 EUR beginnend zum 1.4.2014 geschlossen. Eine darüber hinausgehende Leistungsfähigkeit besteht bei dem Schuldner nicht. Im September 2014 beauftragt der Gläubiger 2 den Gerichtsvollzieher in gleicher Weise wegen einer Gesamtforderung von 300 EUR. Dieser kann dem Schuldner nun einen Zahlungsaufschub bis zum Dezember 2014 bewilligen und ab dem 1.1.2015 eine Ratenzahlungsvereinbarung von monatlich 50 EUR zugunsten des Gläubigers 2 treffen.

Wenn der Schuldner seine Raten etwa aus seinem unpfändbaren Vermögen zahlt oder ein hierzu nicht verpflichteter Dritter einsteht, spricht für den Gläubiger 2 nichts dagegen, sich hierauf einzulassen. Für eine Aufkündigung der ersten Ratenzahlungsvereinbarung und einen neuen Gesamtratenzahlungsplan mit jeweils 25 EUR für den ersten und den zweiten Gläubiger gibt weder § 802b ZPO noch § 68 GVGA eine Rechtsgrundlage.

 

Hinweis

Offenbart der Gerichtsvollzieher – wie offenbar gegenüber der Leserin – eine solche Verfahrensweise, kann dagegen im Wege der Erinnerung nach § 766 ZPO vorgegangen werden. Auch wenn dies möglicherweise im konkreten Fall nicht mehr hilft, ist vorsorgend dafür Rechnung getragen, dass Vereinbarungen zum Schutze beider Vollstreckungsparteien eingehalten werden.

Alternative: Vollstreckung

Lässt sich der zweite Gläubiger auf diese Lösung nicht ein, ist tatsächlich die Vollstreckung in das Vermögen des Schuldners fortzusetzen, soweit dies als Sachpfändungsauftrag Gegenstand der Tätigkeit des Gerichtsvollziehers ist.

 

Hinweis

In der Praxis viel häufiger ist die Kombination des Auftrages zum Versuch einer gütlichen Einigung mit der Bitte um Abnahme der Vermögensauskunft (§ 802c ZPO) oder – unter Beachtung der diesbezüglichen Voraussetzungen – einer Vermögensauskunft Dritter (§ 802l ZPO). In diesem Fall stellt sich die Frage nach der fortwährenden Gültigkeit der ersten Ratenzahlungsvereinbarung überhaupt nicht.

Liegt ein Sachpfändungsauftrag vor, kann der Gerichtsvollzieher nun in das körperliche Vermögen des Schuldners vollstrecken. Dies tangiert die erste Ratenzahlungsvereinbarung mangels Rechtsgrundlage für ein anderes Ergebnis nicht. Zu einem Ende dieser Vereinbarung kann es nur führen, wenn der Schuldner wegen der Vollstreckung nun nicht mehr in der Lage ist, seiner Verpflichtung aus der Vereinbarung nach § 802b ZPO nachzukommen. Dies wird bei der Sachpfändung aber regelmäßig nicht der Fall sein, weil der Schuldner bargeldlos zahlt. Jedenfalls hat der Gerichtsvollzieher abzuwarten, ob der Schuldner aufgrund der Vollstreckung seinen Verpflichtungen aus der ersten Ratenzahlungsvereinbarung nicht mehr nachkommt.

Der GV darf die Annahme der Raten nicht verweigern

Der Gerichtsvollzieher darf auch nicht etwa die Annahme der Raten nach der ersten Ratenzahl...

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