Leitsatz
Hat der Mieter von Gewerberäumen gegen ein Berufungsurteil des OLG auf Räumung und Herausgabe Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH eingereicht, kann er im noch laufenden Erkenntnisverfahren Vollstreckungsschutz über §§ 544 Abs. 5 Satz 2, 719 Abs. 2 ZPO erhalten; ein Antrag nach § 765a ZPO ist daher unzulässig.
LG Frankfurt, Beschl. v. 27.2.2015 – 11 T 29/15
1 I. Der Fall
Räumungsbegehren in zwei Instanzen erfolgreich
Die Schuldner sind zur Räumung der von ihnen genutzten Gewerberäume verurteilt worden, wogegen sie sich erfolglos mit der Berufung gewandt haben. Dagegen richtet sich ihre Nichtzulassungsbeschwerde.
Räumung steht an
In der Folgezeit hat die Gläubigerin den GV mit der zwangsweisen Räumung beauftragt. Dagegen haben die Schuldner Antrag auf Vollstreckungsschutz gemäß § 765a ZPO gestellt. Das AG hat die Zwangsvollstreckung aus dem Räumungsurteil gegen Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt und die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens den Schuldnern auferlegt. Darauf haben die Schuldner beantragt, diesen Beschluss betreffend "Hinterlegungsbetrag", Kostentragung sowie "Streitgegenstand" zu berichtigen und ausgeführt, dass sie gegen das Urteil des OLG Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH eingelegt haben.
2 II. Die Entscheidung
LG legt Mitteilung als Beschwerde aus
Der Antrag der Schuldner ist als sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des AG auszulegen, da sie "Berichtigungen" betreffend den Beschluss begehren, die sie infolge des Nichtabhilfebeschlusses des AG lediglich im Wege der sofortigen Beschwerde erlangen können.
Beschwerde gegen Sicherheitsleistung ist unzulässig
Die sofortige Beschwerde gegen die Sicherheitsleistung ist nach § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 793, 567 Abs. 1, 569 ZPO grundsätzlich statthaft, jedoch mangels Beschwer nicht zulässig. Nach ihrem Vortrag haben die Beklagten Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH gemäß § 544 ZPO eingelegt. Da sie mithin im noch laufenden Erkenntnisverfahren Vollstreckungsschutz über §§ 544 Abs. 5 Satz 2, 719 Abs. 2 ZPO erhalten können, ist ihr Antrag nach § 765a ZPO weiterhin unzulässig (s. Schmidt-Futterer, 11.Aufl. 2013, § 765a ZPO Rn 2). Mit der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das AG haben sie somit ein Mehr erhalten. Die diesbezügliche Einschränkung der Sicherheitsleistung kann sie folglich nicht beschweren. Auf die Frage der Bestimmung der Sicherheitsleistung nach § 108 ZPO kommt es daher nicht an.
Beschwerde gegen Kostentragung zulässig, aber unbegründet
Ausgehend davon, dass der Beschwerdewert 200 EUR übersteigt, ist nicht zu beanstanden, dass das AG es abgelehnt hat, der Gläubigerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Denn § 788 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 ZPO statuiert, dass die Kosten der Zwangsvollstreckung, soweit sie notwendig waren, dem Schuldner zur Last fallen. Nur ausnahmsweise dürfen nach Abs. 4 dem Gläubiger die Kosten auferlegt werden, wenn dies aus besonderen, in dessen Verhalten liegenden Gründen der Billigkeit entspricht. Solche Gründe lagen nicht vor.
Streitwertbeschwerde unzulässig
Die Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwertes auf 500 EUR ist gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht statthaft, weil der Wert dieses Beschwerdegegenstandes 200 EUR nicht übersteigt. Die Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren reduzieren sich auch bei einem etwaig niedriger anzusetzenden Streitwert nicht, wie es sich aus den Gebührentabellen von GKG und RVG ergibt.
3 Der Praxistipp
Eigentlich sollte Gläubiger der Beschwerdeführer sein
Die Konstellation des Falles ist besonders. Eigentlich wäre es an dem Gläubiger gewesen, gegen die Entscheidung des AG sofortige Beschwerde einzulegen bzw. die Entscheidung schon mit der tragenden Begründung des LG zu vermeiden.
Muster
"Der Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a ZPO kann schon aus formalen Gründen keinen Erfolg haben. Der Antrag ist unzulässig (LG Frankfurt, Beschl. v. 27.2.2015 – 11 T 29/15, FoVo 2015, 197). Der Schuldner kann noch im laufenden Erkenntnisverfahren Vollstreckungsschutz über §§ 544 Abs. 5 Satz 2, 719 Abs. 2 ZPO erhalten, sofern er die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Berufungsurteil einlegt (s. Schmidt-Futterer, 11. Aufl. 2013, § 765a ZPO, Rn 2).Legt er die Nichtzulassungsbeschwerde nicht ein, ist der Räumungsanspruch abschließend rechtskräftig festgestellt, so dass die Verfolgung des Räumungsanspruches nicht sittenwidrig, sondern rechtmäßig ist. Schon die Dauer des Verfahrens hat dem Schuldner hinreichende Gelegenheit gegeben, sich auf die Situation einzustellen. Eine besondere Härte kann deshalb nicht mehr vorliegen."
FoVo 10/2015, S. 197 - 198