Leitsatz
Kosten für die erledigte Zustellung des Haftbefehls können vom Gerichtsvollzieher (GV) nicht verlangt werden, da es sich bei der Übergabe des Haftbefehls um keine Zustellung im Parteibetrieb handelt.
AG Schwäbisch Hall, 13.1.2016 – M 2350/15
1 I. Der Fall
Kosten für nicht erledigte ZU eines Haftbefehls?
Die Gläubigerin wendet sich gegen den Kostenansatz des GV für eine nicht erledigte Zustellung nach Nr. 600 KVGvKostG über 3,00 EUR zuzüglich der anteiligen Auslagenpauschale nach Nr. 716 KVGvKostG über 0,60 EUR für die nicht erledigte Zustellung eines Haftbefehls.
Zustellung oder bloße Übergabe?
Die Gläubigerin trägt vor, dass es sich bei der gemäß § 802g Abs. 2 ZPO vorgeschriebenen Übergabe des Haftbefehls nicht um eine Zustellung, sondern um eine durch den Gerichtsvollzieher zu protokollierende Übergabe, für die keine Zustell- oder Nichtzustellkosten in Rechnung gestellt werden könnten, handle.
2 II. Die Entscheidung
AG folgt der Gläubigerin
Die zulässige Erinnerung gemäß §§ 5 Abs. 2 GvKostG, 66 Abs. 2–8 GKG ist begründet. Kosten für die erledigte Zustellung des Haftbefehls können vom GV nicht verlangt werden, da es sich bei der Übergabe des Haftbefehls um keine Zustellung im Parteibetrieb handelt, so dass hierfür auch keine Gebühren – auch nicht für die Nichtdurchführung der Übergabe – vom GV verlangt werden können (Zöller, 31. Aufl. 2016, § 802g Rn 24; LG Konstanz JurBüro 2015, 219).
§ 802g ZPO verlangt keine Zustellung
Aus § 802g Abs. 1 Satz 3 ZPO ist zu entnehmen, dass der Haftbefehl nicht zwingend zugestellt werden muss. § 802g Abs. 2 ZPO sieht vor, dass bei der Verhaftung dem Schuldner der Haftbefehl zu übergeben ist. Dass der Haftbefehl zugestellt werden muss bzw. soll, ist dem Wortlaut der Norm nicht zu entnehmen. Die Übergabe stellt jedoch keine förmliche Zustellung dar, welche eine Gebührenpflicht auslöst (Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 802g Rn 18).
Im Übrigen keine Parteizustellung
Die Bestimmungen des Kostenverzeichnisses finden nach dem Wortlaut desselben nur bei Zustellungen auf Betreiben der Parteien Anwendung, § 191 ZPO. Die Übergabe des Haftbefehls nach § 802g Abs. 2 ZPO ist hiervon nicht erfasst und auch nicht als der Parteizustellung gleichzusetzende Ausnahme im Kostenverzeichnis aufgeführt. Entsprechende Gebühren können daher nicht verlangt werden. Eine anderweitige Auslegung der Normen ist aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Ermächtigungsgrundlage zur Erhebung der Kostengebühren nicht möglich.
3 Der Praxistipp
GV suchen Gebühren
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die GV angesichts drastisch zurückgegangener Vollstreckungsaufträge nach Gebühren suchen.
Von der FoVo immer wieder dokumentiert, treten Rechtsprechung und Gesetzgeber dem Versuch entgegen, für die Zustellung der Eintragungsanordnung Gebühren zu erheben (vgl. etwa OLG Karlsruhe FoVo 2016, 32; auch OLG Düsseldorf DGVZ 2015, 91; OLG Koblenz DGVZ 2016, 59). Streitig ist allein noch, ob die Auslagen vom Gläubiger zu erstatten sind (OLG Nürnberg FoVo 2015, 175);
Gleiches gilt für das stetige Bemühen, aus jeder Form der Antragstellung eine isolierte Beantragung der gütlichen Einigung herauszulesen, um die Gebühr nach Nr. 207 KVGvKostG erheben zu können (OLG Karlsruhe FoVo 2016, 32; OLG Frankfurt v. 7.1.2016 – 18 W 235/15; OLG Stuttgart NJW-RR 2015, 1343) Trotz der angekündigten Klarstellung durch den Gesetzgeber hält allein das OLG Düsseldorf den GV noch die Treue zu Lasten von Gläubiger und Schuldner;
Wenn auch weiterhin umstritten, sehen die meisten OLG keine Grundlage für die Erstattung von Kosten für eine persönliche Zustellung für die Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft. Zu erstatten sind nur die Kosten für die postalische Zustellung, jedenfalls dann, wenn der Gläubiger eine solche verlangt (OLG Koblenz FoVo 2015, 208; a.A. OLG Stuttgart NJW 2015, 2513).
Gläubiger muss reagieren: Kostenkontrolle
Der Gläubiger muss auf diese Entwicklung, die mit der hier besprochenen Entscheidung des AG ihre Fortsetzung findet, reagieren und Gerichtsvollzieherkostenrechnungen stärker kontrollieren. Mit dem 2. KostRMoG sind die Kosten des Gerichtsvollziehers um rund 1/3 gestiegen. Das belastet vorleistungspflichtige Gläubiger wie den letztlich nach § 788 ZPO kostentragungspflichtigen Schuldner gleichermaßen. Vor diesem Hintergrund muss auf die Einhaltung der Kostengesetze geachtet werden. Der Gläubiger trägt dabei das größere Risiko, wenn er eine GV-Rechnung ungeprüft zahlt: Der Schuldner kann dann einwenden, die Aufwendungen seien nicht notwendig gewesen.
FoVo 10/2016, S. 192 - 193