Leitsatz
Nachzahlungen des Arbeitgebers und der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder können zu höheren Pfändungsfreibeträgen auf dem Pfändungsschutzkonto führen.
AG Aurich, Beschl. v. 20.12.2016 – 10a M 6855/12
1 I. Die Entscheidung
Nachzahlung für Überstunden
Die Schuldnerin erhielt von ihrem ehemaligen Arbeitgeber eine Nachzahlung für geleistete Überstunden in Höhe von 195,12 EUR. Wäre die Pfändung direkt beim ehemaligen Arbeitgeber erfolgt, so wäre gem. § 850a Nr. 1 ZPO die Überstundenvergütung zur Hälfte unpfändbar. Die Schuldnerin darf durch die Pfändung auf dem Konto nicht schlechter gestellt werden. Die Hälfte des Betrages in Höhe von 97,56 EUR ist somit an die Schuldnerin auszuzahlen.
Nachzahlung von Rentenbezügen
Daneben hat die Schuldnerin von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) noch eine Rentennachzahlung in Höhe von 209,92 EUR für die Monate Oktober bis November 2016 halten. Nachzahlungen sind demjenigen Zeitabschnitt anzurechnen, in dem sie als zusätzliches Entgelt gelten, d.h. die Nachzahlung wäre den Monaten Oktober bis November zuzurechnen. Gemäß § 850c ZPO würde sich kein pfändbarer Betrag ergeben. Der Betrag ist insoweit an die Schuldnerin auszuzahlen.
2 Der Praxistipp
Rechtlicher Ausgangspunkt der Prüfung bleibt unklar
Die Frage, wie Nachzahlungen bei der Pfändung zu behandeln sind, ist durchaus umstritten. Zunächst ist der richtige Ausgangspunkt zu wählen. Ob über den Grundfreibetrag nach § 850k Abs. 1 i.V.m. § 850c Abs. 1 ZPO hinaus weitere Freibeträge zu gewähren sind, bestimmt sich nach § 850k Abs. 4 ZPO. Es ist also im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob nach den dort in Bezug genommenen Pfändungsschutzvorschriften ein Pfändungsschutz besteht. Diesen rechtlichen Ausgangspunkt fokussiert die Entscheidung des Amtsgerichtes nicht.
Tipp
Der Gläubiger muss genau hierauf achten. Im Zweifel sollte er einwenden, dass der Antrag des Schuldners nicht erkennen lasse, auf welche Rechtsgrundlage die zusätzliche Freistellung gestützt wird.
Andere fragen: Bedarf der Schuldner des Schutzes?
Andere Gerichte stellen bei Nachzahlungen für den Pfändungsschutz ergänzend darauf ab, ob der Schuldner des zusätzlichen Freibetrages auch bedarf. Kommt es zu einer Nachzahlung des Job-Centers, so rechtfertigt dies etwa nach Ansicht des AG Ingolstadt (3.3.2016 – 2 M 3595/13, FoVo 2016, 79) keine Erhöhung des pfändungsfreien Betrages auf einem Pfändungsschutzkonto, wenn der Schuldner den zum Lebensunterhalt benötigten Freibetrag bereits erhalten hat. Das hat im Übrigen auch der BGH schon so gesehen (BGH, 25.10.2012 – VII ZB 31/12).
FoVo 10/2017, S. 188 - 189