Leitsatz
Bei einem Lottogewinn handelt es sich nicht um sonstige Einkünfte i.S.d. § 850i ZPO.
LG Flensburg, Beschl. v. 1.2.2021 – 5 T 207/20
1 Der Fall
Der Schuldner im Glück
Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung und hat u.a. auf das Kontoguthaben nach § 833a ZPO im Wege der Forderungspfändung zugegriffen. Der Schuldner unterhält allerdings ein P-Konto nach § 850k ZPO.
Der Schuldner ist nun im Glück und erzielt einen Lottogewinn, der ihm auf seinem Konto gutgeschrieben wird. Er will diesen aber nicht zur Tilgung seiner titulierten Verpflichtungen nutzen und hat einen Schutzantrag nach § 850k Abs. 4 ZPO gestellt. Das AG ist dem gefolgt, wogegen der Gläubiger sofortige Beschwerde erhoben hat.
2 II. Die Entscheidung
Schuldner muss aktiv werden
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und in der Sache auch erfolgreich. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückweisung des Antrags des Schuldners.
Gemäß § 850k Abs. 4 ZPO kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag einen abweichenden pfändungsfreien Betrag festsetzen. Mit dieser Vorschrift soll sichergestellt werden, dass das Vollstreckungsgericht in den für den allgemeinen Pfändungsschutz von Arbeitseinkommen und gleichgestellten Einkünften vorgesehenen Fällen auch bei der Kontopfändung einen anderen pfändungsfreien Betrag festlegen kann (BeckOK-ZPO/Riedel, 39. Ed. 1.12.2020, ZPO § 850k Rn 28c.1). Die Möglichkeit ist jedoch auf die in § 850k Abs. 4 ZPO genannten Fälle, und zwar für Arbeitseinkommen und gleichgestellte Einkünfte, beschränkt (MüKo-ZPO/Smid, 6. Aufl. 2020, ZPO § 850k Rn 43).
Lottogewinn gehört nicht zu den Schutzobjekten des § 850k Abs. 4 ZPO
Bei dem streitgegenständlichen Lottogewinn handelt es sich aber weder um geschütztes Arbeitseinkommen noch um gleichgestellte Einkünfte wie Sozialleistungen, Einkünfte aus Unterhaltszahlungen und auch nicht um sonstige Einkünfte i.S.d. § 850i ZPO. Geldforderungen, die der Schuldner nicht aufgrund wirtschaftlicher Betätigung erwirbt, etwa Geschenke, Lottogewinne und erbrechtliche Ansprüche, sind keine sonstigen Einkünfte i.S.d. § 850i ZPO (BGH, Beschl. v. 27.9.2018, NZI 2018, 899, beck-online).
Aber greift nicht § 765a ZPO ein?
Ein Pfändungsschutz war auch nicht nach § 765a ZPO zu gewähren. Zwar hat das Vollstreckungsgericht bei Schuldneranträgen auf Freigabe von Beträgen, die auf ein Konto überwiesen wurden, den Antrag auch immer dahingehend auszulegen und zu prüfen, ob der Schuldner mit seinem Antrag eine unbillige Härte der Vollstreckungsmaßnahme i.S.d. § 765a ZPO geltend machen möchte (BeckOK-ZPO/Riedel, 39. Ed. 1.12.2020, ZPO § 850k Rn 27ac.1). Aber auch nach der Ausnahmevorschrift des § 765a ZPO kommt eine Freigabe des Lottogewinns nicht in Betracht.
Keine sittenwidrige Härte
Eine sittenwidrige Härte ist für den Schuldner bei Vollzug der Vollstreckungsmaßnahme nicht erkennbar. Denn die im Fall der Pfändung des Lottogewinns eintretende Sozialhilfebedürftigkeit allein ist kein besonderer Umstand, der eine sittenwidrige Härte i.S.d. § 765a ZPO begründen könnte. Es ist nicht Sache des Gläubigers, die Aufgaben der Sozialhilfebehörden zu übernehmen. Auf Sozialhilfe besteht ein gesetzlicher Anspruch, die Antragstellung ist daher für den Schuldner keine besondere Zumutung; die Sozialleistungen ermöglichen dem Bezieher auch ein menschenwürdiges Dasein.
Einschränkung des Pfändungsschutzes muss respektiert werden
Die Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850c ff ZPO stehen dem nicht entgegen. Nach der klaren und eindeutigen gesetzlichen Regelung hat sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden, bei der Forderungspfändung lediglich das Arbeitseinkommen des Schuldners und bestimmte gleichgestellte fortlaufende Bezüge zu schützen, nicht aber Einkommen aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung oder Verkaufserlöse (BGH, v. 21.12.2004 – IXa ZB 228/03, BGHZ 161, 371–376 Rn 6). Diese nicht ausdrücklich in den Pfändungsschutzvorschriften aufgeführten Vermögenswerte sind daher nach der gesetzlichen Regelung ohne weiteres der Zwangsvollstreckung unterworfen. Damit hat der Gesetzgeber den Interessenausgleich zwischen Schuldner und Gläubiger im Bereich der Zwangsvollstreckung abschließend und in einer verfassungsrechtlich vertretbaren Weise geregelt. Wer von den Erträgen seines Vermögens lebt, ist nicht dagegen geschützt, dass in das Vermögen und in dessen Erträge vollstreckt wird, auch wenn er dadurch womöglich sozialhilfebedürftig wird (BGH, v. 21.12.2004 – IXa ZB 228/03, BGHZ 161, 371–376 Rn 10). Denn auch die Interessen des Gläubigers sind zu berücksichtigen. Dem Gläubiger, der einen vollstreckbaren Anspruch gegen den Schuldner hat, würde anderenfalls zugemutet, auf die Durchsetzung dieses Anspruchs zu verzichten und damit anstelle der Allgemeinheit den Lebensunterhalt des Schuldners zu finanzieren.
Gläubiger ist verfassungsrechtlich geschützt
Der Gläubiger hat jedoch seinerseits einen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch gegen den Staat, dass dieser eine effektive Zwangsvollstreckung ermöglicht. Auch das Eigentum des Gläubige...