Leitsatz
Der Gerichtsvollzieher darf auch während der Dauer der Covid-19-Pandemie antragsgemäß einen Termin zur Vermögensauskunft ansetzen.
AG Bremen, Beschl. v. 6.1.2021 – 246 M 460029/21
1 Der Fall
Schuldnerin begehrt Verlegung der Abnahme der Vermögensauskunft
Der Gläubiger betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung und hat die Abnahme der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO beantragt. Der Gerichtsvollzieher hat entsprechend § 802f ZPO Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft bestimmt. Hiergegen richtet sich die Erinnerung der Schuldnerin, die die Aufhebung und Verlegung des Termins unter Hinweis auf die allgemeinen Folgen der Abnahme für sie als Selbständige und die Covid-19-Pandemie verlangt.
2 II. Die Entscheidung
AG sieht keinen Verlegungsgrund
Die Erinnerung der Schuldnerin ist gemäß § 766 ZPO statthaft, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Eine Anordnung nach § 732 Abs. 2 ZPO (vgl. Thomas/Putzo, 41. Aufl., § 802f Rn 16), insbesondere eine einstweilige Terminverlegung, ist nicht geboten.
Die Schuldnerin hat mit ihrer Erinnerungsschrift vom 3.1.2021 keine Gründe vorgetragen, welche ihr Fernbleiben zu dem vom Gerichtsvollzieher gemäß § 802f Abs. 1 S. 2 ZPO festgesetzten Termin entschuldigen würden (vgl. Seibel, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 802g ZPO Rn 4).
Dass die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung (Titel, Klausel, Zustellung) nicht vorlägen, wurde nicht vorgetragen.
Typische Nebenfolgen sind kein Hinderungsgrund
Dass die Abgabe der Vermögensauskunft nebst Eintragung in das Schuldnerregister die derzeitige berufliche Existenz der Erinnerungsführerin als selbständige Kauffrau gefährden dürfte, wäre als typische Nebenfolge des gesetzlich vorgeschriebenen Prozedere hinzunehmen. Andernfalls würden alle selbständigen Schuldner gegenüber sonstigen Schuldnern, insbesondere Verbrauchern, privilegiert, weil sie sich stets auf die Gefährdung ihrer Existenzgrundlage berufen könnten.
Keine Aussetzung der Vollstreckung in der Pandemie …
Dass die Schuldnerin nach eigenem Vortrag in der derzeitigen Pandemielage außer Stande ist, ihre Schulden in Raten zu begleichen, ist unerheblich. Der Gesetzgeber hat, anders als beispielsweise im Insolvenzrecht (zeitweise Aussetzung der Pflicht zur Konkursanmeldung), nicht normiert, dass während der Pandemiedauer Termine zur Vermögensauskunft nicht angesetzt werden dürfen. Der Schuldnerin steht es frei, bei ihrem Gläubiger (nochmals) auf eine Rücknahme des Vollstreckungsantrags hinzuwirken.
… erst recht, wenn die Schulden vor der Pandemie begründet wurden
Dass die Schuldnerin in der derzeitigen Pandemielage keine Umsätze zur Rückführung ihrer Schulden generieren kann, weil die Einzelhandelsgeschäfte auf behördliche Anordnung geschlossen wurden, ist unerheblich. Die Schulden der Erinnerungsführerin resultieren zudem aus einer Zeit vor Eintritt der Covid-19-Pandemie (Verfahren des LG Bremen aus 2019). Im Übrigen dürfte der Gerichtsvollzieher auch dann antragsgemäß terminieren, wenn die Schuldnerin regelmäßige Ratenzahlungen leisten würde (vgl. Zöller, a.a.O., Rn 5).
Corona-Verordnungen stehen nicht entgegen
Eine Verhinderung der Schuldnerin ist nicht gegeben. Nach aktueller Rechtslage darf sich die Schuldnerin zumindest mit einer weiteren Person aus einem anderen Haushalt, hier: mit dem Gerichtsvollzieher L, treffen, um die Auskunft zu erteilen.
Die Schuldnerin hat auch nicht vorgetragen, dass ihr dieses Treffen aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar wäre oder sie eine sogenannte Risikopatientin sei. Im Übrigen wird der Gerichtsvollzieher im Zuge des Termins die vorgeschriebenen Abstands- und Maskenpflichtanordnungen einzuhalten haben.
3 Der Praxistipp
Keine tatsächlichen Hindernisse
Der Entscheidung des AG ist zuzustimmen. Inzwischen hat jede erwachsene Person die Möglichkeit, sich impfen und/oder testen zu lassen. Unter Berücksichtigung der Abstandsregeln, der Hygienevorschriften und der Maskenpflicht entsteht so ein hygienisches Sicherheitskonzept, das Bedenken gegen die Durchführung der Abnahme der Vermögensauskunft zurücktreten lässt. Das bedeutet nicht, dass im Einzelfall, etwa bei Risikopatienten, vorübergehend anders verfahren werden kann. Hier muss der jeweilige Einzelfall gesehen werden.
Die rechtlichen Alternativen
Die Schuldnerin verspürt erkennbar Vollstreckungsdruck. Der kommunikativen und kooperativen Schuldnerin kann dabei geholfen werden. So steht es der Schuldnerin einerseits frei, dem Gläubiger die notwendigen Informationen freiwillig zu erteilen und gleichzeitig durch eine Schweigepflichtentbindungserklärung deren Verifizierung zu erlauben. Das mag die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis und die damit verbundenen negativen Folgen für die eigene berufliche Tätigkeit vermeiden helfen. Auch kann die Schuldnerin Ansprüche gegen Dritte, etwa Steuererstattungsansprüche, Ansprüche auf Auszahlung von pfändbarem Kontoguthaben oder gegen regelmäßige Kunden, an den Gläubiger abtreten.
FoVo 10/2021, S. 193 - 195