Leitsatz
Zieht ein Inkassounternehmen eine eigene, für es titulierte Forderung ein, können keine Kosten für die Vertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren angesetzt werden.
AG Brake, Beschl. v. 3.5.2022 – 6 M 284/22
1 I. Die Entscheidung
Regelung zu Inkassokosten nach § 4 RDGEG a.F. = § 13e RDG n.F.
Nach der Systematik des RDGEG können Inkassogebühren grundsätzlich sowohl vor Titulierung als auch nach der Titulierung anfallen. Vor Titulierung sind die Inkassokosten von Personen, die Inkassodienstleistungen erbringen (registrierte Personen nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1) grundsätzlich nur bis zur Höhe der einem Rechtsanwalt nach den Vorschriften des RVG zustehenden Vergütung erstattungsfähig, § 4 Abs. 5 RDGEG. Nach der Titulierung – wie vorliegend – richtet sich die Erstattungsfähigkeit dieser Kosten nach § 788 ZPO, § 4 Abs. 4 RDGEG.
AG: Es fehlt an einer Vertretung des Gläubigers
Kosten von Beitreibungsmaßnahmen und damit auch damit einhergehende gesetzliche Gebühren und Auslagen, die der Gläubiger im Zeitpunkt der Entstehung der Kosten objektiv für notwendig halten konnte, sind nach § 788 ZPO ersatzfähig. Vorliegend besteht jedoch bereits eine nach § 4 Abs. 4 RDGEG i.V.m. § 788 ZPO erforderliche "Vertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren …" nicht und zudem ist die Tätigkeit in eigener Sache kein Erbringen von Inkassodienstleistungen "registrierter Personen" nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG.
Es liegt keine Einziehung einer "fremden Forderung" vor
Zwar dürfen gem. § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG natürliche und juristische Personen – wie vorliegend die Gläubigerin als GmbH – sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, die bei der zuständigen Behörde registriert sind (registrierte Personen), aufgrund besonderer Sachkunde Rechtsdienstleistungen wie etwa Inkassodienstleistungen erbringen (§ 2 Abs. 2 S. 1). Hinsichtlich dessen, dass das Gesetz davon spricht "Rechtsdienstleistungen … erbringen …", knüpft es hierbei an das Merkmal der Rechtsdienstleistung an.
Eine Rechtsdienstleistung wiederum ist nach § 2 RDG definiert und ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert (§ 2 Abs. 1 RDG) und/oder, unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1, die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird (sog. Inkassodienstleistung, § 2 Abs. 2 RDG). Abgetretene Forderungen gelten für den bisherigen Gläubigervertreter nicht als fremd. Folglich liegt vorliegend kein Fall des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 RDG vor. Die Gläubigerin zieht vielmehr eine eigene Forderung, die für sie zudem tituliert ist, in eigenem Namen und somit auch als eigenes Geschäft (im eigenen Interesse) ein. Eine Vertretungsgebühr für die Vertretung in eigener Sache kann danach nicht anfallen.
2 Der Praxistipp
Eine Entscheidung, die in jeder Hinsicht falsch ist
Es hätte dem AG geholfen, wenn es die rechtliche Prüfungsreihenfolge eingehalten hätte. Das Unterlassen führt zu einem doppelten Fehler:
Es wird zunächst nicht gesehen, dass die Titulierung einer Forderung auf einen Inkassodienstleister nicht bedeutet, dass es sich nicht um eine fremde Forderung handelt. § 2 Abs. 2 RDG definiert als Inkassodienstleistung nicht nur die Einziehung einer fremden Forderung als Inkassodienstleistung, sondern auch die zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretene Forderung.
Definition der Inkassodienstleistung nicht erschöpft
Der Umstand, dass im Vollstreckungstitel der Inkassodienstleister als Gläubiger genannt ist, kann also nicht einmal als Indiz dafür gelten, dass es sich um eine eigene Forderung handelt.
Wenn man also davon ausgeht, dass ein solcher Fall vorliegt, dann liegt sowohl eine (wirtschaftlich) fremde Forderung vor als auch eine (faktische) Vertretung des Gläubigers bei der Einziehung der Forderung. Damit sind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 RDG und des § 4 Abs. 4 RDGEG a.F., der nunmehr in § 13e Abs. 2 RDG aufgegangen ist, vor.
Ohne Inkassodienstleistung gilt das RDG wie das RDGEG nicht
Wenn man dem AG darin folgen würde, dass mangels Fremdheit der Forderung keine Inkassodienstleistung und letztlich keine "Vertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren" vorliegt, dann ist schon das RDG und in der Folge auch das RDGEG nicht anwendbar. Leider lässt das AG unbeantwortet, was die Folge dieser Erkenntnis ist.
Die Folge wäre die unmittelbare Anwendung von § 788 ZPO. Die Kosten der Zwangsvollstreckung fallen danach, soweit sie notwendig waren (§ 91 ZPO), dem Schuldner zur Last; sie sind zugleich mit dem zur Zwangsvollstreckung stehenden Anspruch beizutreiben. § 788 ZPO verlangt originär also weder die Fremdheit der Forderung noch eine Vertretung eines Dritten im Vollstreckungsverfahren.
§ 788 ZPO anzuwenden führt zum richtigen Ergebnis
Indem § 788 Abs. 1 S. 1 S. 1 ZPO auf § 91 ZPO verweist, findet auch § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO entsprechende Anwendung. Danach sind in eigener Sache dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die...