Leitsatz
1. Die Vorlage einer Geldempfangsvollmacht zur Auszahlung der von dem Gerichtsvollzieher (GV) vereinnahmten Zahlungen ist nicht (mehr) notwendig.
2. Die GVGA erhebt dabei aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit und befreit den GV nicht von der Verpflichtung, sich eine genaue Kenntnis der Bestimmungen aus dem Gesetz und den dazu ergangenen gerichtlichen Entscheidungen selbst anzueignen.
AG Burg, Beschl. v. 31.5.2021 – 36 M 905/22
1 Der Fall
GV will empfangenes Geld nicht auszahlen
Die Gläubigervertreter wenden sich gemäß § 766 ZPO gegen die unterbliebene Ablieferung der erhaltenen bzw. beigetriebenen Zahlung des Schuldners durch die Gerichtsvollzieherin.
GV sieht Hindernis um Hindernis
Die GV ist der Auffassung, dass die Ablieferung der erhaltenen bzw. beigetriebenen Zahlung des Schuldners nicht möglich ist, weil eine Geldempfangsvollmacht nicht vorliegt. Die in § 753a S. 1 ZPO normierte Versicherung der Bevollmächtigung beziehe sich nicht auf die Geldempfangsvollmacht, sondern ausschließlich auf die Vertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren. Der Wegfall der Nachweispflicht einer Bevollmächtigung beziehe sich lediglich auf die "Durchführung der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen". Bezüglich der Empfangnahme von Geldern lasse sich § 753a ZPO nichts entnehmen. Gemäß § 60 GVGA sei der Prozessbevollmächtigte verpflichtet, eine Geldempfangsvollmacht vorzulegen. Diese Vorschrift sei unverändert geblieben. Der Gesetzgeber ziele auf eine Vereinfachung des Zwangsvollstreckungsverfahrens wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen ab. Hiervon sei aber die Empfangnahme von Geldern zu unterscheiden. Nur weil ein Verfahren der Zwangsvollstreckung auf Grundlage der bloßen Versicherung einer Vollmacht betrieben werden könne, folge daraus nicht notwendig, dass auch Gelder auf dieser Grundlage ausgekehrt werden dürfen.
Gläubiger verweist auf Bestrebungen zur Erleichterung und Beschleunigung der ZV
Mit Schreiben vom 5.5.2022 führten die Gläubigervertreter aus, die Rechtsprechung habe die Anforderung einer Vollmacht überholt. Die ordnungsgemäße Bevollmächtigung einschließlich einer Geldempfangsvollmacht nach § 753a ZPO werde versichert. Der Gesetzgeber habe mit Einführung des § 753a ZPO im Kern eine Erleichterung und Beschleunigung der Vollstreckungsverfahren angestrebt. Daher sei durchaus die Annahme zulässig, dass diese Norm auch den Fall des Geldempfangs umfasse.
2 II. Die Entscheidung
Die Erinnerung ist zulässig und begründet. Die Versicherung der ordnungsgemäßen Bevollmächtigung durch den Gläubigervertreter genügt. Einer Geldempfangsvollmacht bedarf es nicht mehr.
Vollmacht muss zwar vorliegen, aber nur noch versichert werden
§ 815 ZPO regelt, wie mit gepfändetem Geld zu verfahren ist. Die Pfandverwertung von Geld erfolgt durch die Ablieferung beim Gläubiger. Lässt sich der Gläubiger aber durch einen Dritten vertreten, so ist von diesem bisher die Geldempfangsvollmacht nachzuweisen gewesen. Nach der mit Wirkung zum 1.1.2021 eingeführten Vorschrift des § 753a ZPO aber haben Bevollmächtigte nach § 79 Abs. 2 S. 1 und 2 Nr. 3 und 4 ZPO bei der Durchführung der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen ihre ordnungsgemäße Bevollmächtigung zu versichern; des Nachweises einer Vollmacht bedarf es in diesen Fällen nicht. S. 1 gilt nicht für Anträge nach § 802g ZPO.
Gesetzgeber zeigt Vertrauen in bestimmte Bevollmächtigte
Die Vorschrift des § 753a ZPO reduziert daher in ihrem Anwendungsbereich in Anlehnung an § 703 ZPO für nach Ansicht des Gesetzgebers als ausreichend vertrauenswürdig angesehene Bevollmächtigte (§ 79 Abs. 2 S. 1, S. 2 Nr. 3 und 4 ZPO), so auch für die Gläubigervertreter, die nach § 80 ZPO auch in der Zwangsvollstreckung bestehende bürokratische Last zum Vollmachtsnachweis durch Einreichung einer Vollmachtsurkunde zum Zwecke der Verfahrensvereinfachung.
Die Gesetzesbegründung bringt es deutlich auf den Punkt
Die Vorschrift findet ausweislich ihres Wortlautes Anwendung auf die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen. Erfasst wird danach die gesamte Durchführung entsprechender Zwangsvollstreckungsverfahren. Neben dem einleitenden Akt werden auch alle bis zum endgültigen Abschluss eines eingeleiteten Zwangsvollstreckungsverfahrens in einem solchen im Namen des Gläubigers gerade in dieser Eigenschaft vorgenommenen bzw. vorzunehmenden (Einzel-) Handlungen erfasst. Danach ist auch die Entgegennahme des Erlöses erfasst (BeckOK-ZPO/Ulrici, § 753a Rn 2). Dies ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks 19/20348, S. 72), in der es ausdrücklich heißt:
Zitat
"Die Vorschrift orientiert sich an der für das Mahnverfahren bewährten Vorschrift des § 703 ZPO und dient der Verfahrensvereinfachung. Insbesondere im Hinblick darauf, dass die Regelung auch die Ablieferung nach § 815 Abs. 1 ZPO umfasst und die Vollmacht auch auf Verlangen des Schuldners nicht nachgewiesen werden muss (vergleiche insoweit zu § 703 ZPO Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 703 ZPO Rn 1), ...