Beispiel
Sie telefonieren Anfang Oktober 2024 mit dem Schuldner, der Ihnen mitteilt, dass er mit Ablauf des 30.6.2024 arbeitslos geworden sei. Zuvor habe er monatlich 1.900 EUR brutto verdient. Er möchte damit begründen, dass er nicht in der Lage ist, die Forderung ganz oder auch nur in Raten auszugleichen. Derzeit beziehe er nur Bürgergeld. Ein aussichtsloser Fall?
Zugriff auf Steuererstattungsansprüche
Mitnichten ein aussichtsloser Fall. War der Schuldner bis Juli 2024 erwerbstätig und hat auch entsprechende Steuern bezahlt, so kommt nun ein Steuererstattungsanspruch in Betracht. Nach § 32a EStG bleibt nämlich schon das zu versteuernde Einkommen von 1.900 EUR abzüglich der Sozialversicherungsbeiträge von 399,95 EUR, d.h. von 6 × 1.500,05 EUR = 9.000,30 EUR unterhalb des steuerfreien wirtschaftlichen Existenzminimums von 11.604 EUR.
Hat der Schuldner einen Bruttolohn von 1.900 EUR monatlich, hätte er im Jahr 2024 potenziell 22.800 EUR nach Abzug seiner Sozialausgaben mit 1.047,00 EUR versteuern müssen (Lohnsteuer), d.h. monatlich 87,25 EUR. Bei einem Bruttolohn von 11.400 EUR ergibt sich ein zu versteuerndes Einkommen unterhalb von 11.604 EUR, sodass der Schuldner keine Steuern zahlen muss, d.h. er hat ein Erstattungsanspruch von 6 × 87,25 EUR = 523,50 EUR.
Abtretung oder Pfändung?
In Abhängigkeit von der Kooperationsbereitschaft des Schuldners kann er den Erstattungsanspruch am 1. des Folgejahres (1.1.2025) an den Gläubiger abtreten. Dabei muss das amtliche Formular zur Abtretung von Steuererstattungsansprüchen genutzt werden, welches sich in der Formularsammlung des Bundesfinanzministeriums findet (https://www.formulare-bfinv.de/ffw/form/display.do?%24context=7C8CCD30A82E90085CD1).
Alternativ kann der Steuererstattungsanspruch nach §§ 829, 835 ZPO gepfändet und zur Einziehung überwiesen werden. Auszufüllen ist hierzu das Modul G in der Anlage 5 zur Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung, d.h. dem Entwurf des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.
Hinweis
Zu beachten ist § 46 Abs. 6 AO. Danach darf ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht erlassen werden, bevor der Anspruch entstanden ist. Ein entgegen diesem Verbot erwirkter Pfändungs- und Überweisungsbeschluss oder eine erwirkte Pfändungs- und Einziehungsverfügung sind nichtig. Der Erstattungsanspruch entsteht aber erst mit dem Ablauf des Steuerjahres. Der Erstattungsanspruch für das Jahr 2024 entsteht also erst am 1.1.2025. Allerdings können auch die Erstattungsansprüche früherer Jahre gepfändet werden. Wenige Schuldner geben tatsächlich eine Einkommensteuererklärung ab, obwohl ihnen ein Steuererstattungsanspruch zusteht.