Einführung
Schuldner wird Erbe
Wird der Schuldner aufgrund gesetzlicher oder gewillkürter Erbfolge Erbe eines Dritten, erlangt er einen Vermögenszuwachs, auf den der Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung zugreifen kann. Für den Zugriff auf diesen Vermögenszuwachs sind zwei Grundkonstellationen zu unterscheiden: Der Schuldner kann Alleinerbe werden oder als Miterbe berufen sein. Dies hat für die Zwangsvollstreckung unterschiedliche Konsequenzen.
I. Der Schuldner als Alleinerbe
Alleinerbe: Weiter wie bisher
Wird der Schuldner Alleinerbe, so tritt er nach § 1922 BGB unmittelbar in die Erbenstellung des Erblassers ein. Es findet die sogenannte Universalsukzession statt. Dies hat zur Folge, dass sich der Nachlass des Erblassers mit dem bisherigen Eigenvermögen des Schuldners und Erben vereinigt und nun als neues einheitliches Vermögen des Schuldners anzusehen ist. Eine gesonderte Pfändung der Erbenstellung ist damit weder notwendig noch möglich. Vielmehr kann das gesamte Spektrum der Zwangsvollstreckung genutzt werden, um in das neue Gesamtvermögen des Schuldners zu vollstrecken. Die Vollstreckung richtet sich in diesem Fall nach den allgemeinen Vorschriften.
II. Der Schuldner als Miterbe
Miterbe: Rechte der Erbengemeinschaft beachten!
Anders verhält es sich allerdings dann, wenn der Schuldner neben anderen zum Miterben berufen wird. In diesem Fall wird der Nachlass nach § 2032 Abs. 1 BGB gemeinschaftliches Vermögen der Erben. Alle Miterben bilden dann eine Miterbengemeinschaft. Dies bedeutet, dass
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der Schuldner als Erbe einen in der Erbengemeinschaft gebundenen Anteil am Nachlass hat, der von seinem Eigenvermögen getrennt ist, |
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der Schuldner zwar nach § 2033 Abs. 1 BGB über seinen Erbanteil als Ganzes verfügen kann, nicht aber über einen einzelnen Gegenstand, § 2033 Abs. 2 BGB, |
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eine Vollstreckung in den Erbanteil mit den allgemeinen Vollstreckungsarten nicht ohne weiteres möglich ist. |
Zugriff durch Forderungspfändung
Der Gläubiger muss damit im Wege der Forderungspfändung auf den gesamten Miterbenanteil des Schuldners zugreifen, indem er
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einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nach den §§ 828, 829 ff. ZPO beantragt; |
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aufgrund des damit erlangten Anspruchs die Auseinandersetzung der Miterbengemeinschaft verlangt
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durch freiwillige Teilung mittels eines Auseinandersetzungsvertrages (hierzu Palandt-Edenhofer, BGB, 68. Aufl. 2009, § 2042 Rn 4 ff.); |
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mittels amtlicher Vermittlung nach § 86 Abs. 2 FGG; |
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durch Teilungsklage; |
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aufgrund der erfolgten Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft den seinem Erbanteil entsprechenden Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben realisiert. |
Gegenüber dem Pfändungsgläubiger können sich die Miterben nicht darauf berufen, dass die Auseinandersetzung durch den Erblasser nach § 2044 BGB oder durch eine unter ihnen geschlossene Vereinbarung ausgeschlossen ist.
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Die Erbengemeinschaft ist nicht selbst rechts- oder parteifähig (BGH NJW 2002, 3389). Dies hat zur Folge, dass
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Drittschuldner nicht die Erbengemeinschaft ist, sondern die jeweiligen weiteren Miterben sind; |
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die Pfändung im Sinne des § 829 Abs. 3 ZPO erst mit der Zustellung an den letzten Miterben als Drittschuldner bewirkt ist; |
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eine Pfändung vor dem Erbfall nicht möglich ist, da die Erberwartung noch kein pfändbares Anwartschaftsrecht begründet (RGZ 67, 425, 428). |
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Die gesamte Literatur bezieht sich auf die Entscheidung des Reichsgerichtes aus dem Jahre 1908. Es erscheint durchaus denkbar, dass die Rechtsprechung dies bei einer hinreichenden Begründung heute anders sieht. So hat der BGH (BGH NJW 2003, 2457) etwa die Pfändung einer Rentenanwartschaft völlig unabhängig davon zugelassen, ob der Schuldner jemals Versorgungsansprüche erwerben wird. Es handelt sich um die Pfändung eines künftigen Anspruchs. In der Einzelzwangsvollstreckung können auch künftige sowie aufschiebend bedingte oder befristete Forderungen gepfändet werden, sofern ihr Rechtsgrund und der Drittschuldner im Zeitpunkt der Pfändung bestimmt sind (BGH NJW-RR 1989, 286; BGH NJW 2003, 2457). Dies ist bei gesetzlicher Erbfolge ebenso wie bei nachgewiesener Erbeinsetzung der Fall. Jedenfalls dann, wenn ein bindender Erbvertrag zwischen dem Erblasser und dem Schuldner über die Erbeinsetzung des Schuldners besteht, sollte etwas anderes gelten.
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Bei einer Pfändung nach dem Erbfall, aber vor Ablauf der Ausschlagungsfrist hat der Schuldner die Möglichkeit, das Erbe auszuschlagen. In diesem Fall erwirbt die in der Erbfolge nachrückende Person – ggf. die Kinder des Schuldners – einen nicht mit dem Pfändungspfandrecht belasteten Erbanteil, 1953 BGB. Es kann sich deshalb empfehlen, die Pfändung erst nach Ablauf der Ausschlagungsfrist anzubringen. |
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Soweit die Teilung in Natur erfolgt und damit an den Gläubiger einzelne Gegenstände aus dem Nachlass herauszugeben sind – die er dann abschließend verwerten kann –, kann eine Anordnung nach § 847 ZPO beantragt werden, wonach die Sachen an einen von dem Gläubiger zu beauftragenden Gerichtsvollzieher herauszugeben sind. |
Muster xx1: Pfändung und Überweisung eines Miterbenan...