Typischer Fall: Patchwork-Familie
Die Entscheidung betrifft eine durchaus nicht untypische Situation in der modernen Gesellschaft: Der Schuldner ist Teil einer "Patchwork-Familie".
Checkliste: Das müssen Sie untersuchen
Der Gläubiger muss solche Situationen berücksichtigen und hierauf auf unterschiedliche Weise reagieren:
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Im Offenbarungsverfahren nach §§ 807, 899 ZPO oder nach § 836 Abs. 3 ZPO muss der Gläubiger klären, ob es sich bei den von dem Schuldner angegebenen Kindern um leibliche Kinder oder Kinder seines Ehegatten handelt. Hilfsweise kann er dies auch über die Einsicht in das Personenstandsregister nach § 62 PStG feststellen. |
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Soweit er nicht vom Drittschuldner die Lohnabrechnungen erhält, muss er diese nach § 836 Abs. 3 ZPO vom Schuldner herausverlangen. |
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Auf den Lohnabrechnungen muss er überprüfen, ob bei der Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens Ehegatten und/oder Kinder berücksichtigt wurden. |
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Ist dies der Fall, muss er einen Antrag nach § 850c Abs. 4 ZPO auf Nichtberücksichtigung dieser Personen stellen, wenn
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es sich bei der berücksichtigten Person nicht um ein leibliches Kind des Schuldners handelt und auch sonst kein gesetzlicher Unterhaltsanspruch besteht, |
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die berücksichtigte Person über eigenes Einkommen verfügt, das ihren Unterhalt ganz oder jedenfalls teilweise sichert, |
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die berücksichtigte Person von dem Schuldner getrennt lebt und hier zwar einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch hat, der Schuldner aber tatsächlich keinen Unterhalt bezahlt. |
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Herrschende Meinung ist eindeutig
Das OLG Frankfurt (FoVo 2008, 209) ist zu Lasten der Gläubiger über den Wortlaut des § 850f Abs. 2 ZPO wegen eines vermeintlichen Wertungswiderspruchs zum Sozialhilferecht hinausgegangen und hat die tatsächlichen Unterhaltsleistungen des Schuldners an den Lebensgefährten als Mehrbedarf nach § 850f Abs. 1 ZPO anerkannt. Dem ist jedoch entschieden entgegenzutreten. Die Auffassung des OLG Frankfurt, auf die sich vermehrt Schuldner berufen, widerspricht der herrschenden Auffassung (vgl. nur Zöller/Stöber, ZPO, 27. Aufl., § 850d Rn 8 explizit für das Stiefkind; Schuschke/Walker-Kessal-Wulf, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl., § 850d Rn 4; Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., Rn 1077 und 1196; LG Osnabrück FamRZ 1999, 526). Eine andere Ansicht würde Manipulationsmöglichkeiten des Schuldners auch Tür und Tor öffnen. Hierzu kann auf die Ausführungen im Praxistipp in Fovo 2008, 209, 2010 verwiesen werden.