Leitsatz
Stellt sich im Zwangsvollstreckungsverfahren im Nachhinein heraus, dass der gepfändete Gegenstand wertlos ist, so richtet sich der Gegenstandswert für den anwaltlichen Vergütungsanspruch nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG nach dem Wert der zu vollstreckenden Forderung.
OLG Naumburg, 3.4.2014 – 2 W 26/14
1 I. Der Fall
PfÜB erlassen …
Auf den Antrag des Gläubigers erließ das AG einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB) für die Vollstreckung aus dem gegen den Schuldner ergangenen Versäumnisurteil. Gepfändet wurde der angebliche Anspruch des Schuldners auf die pfändbaren Anteile seines Arbeitseinkommens gegen die Drittschuldnerin. Dem Gläubiger wurde gleichzeitig Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Antragstellers als Bevollmächtigter bewilligt.
… der aber leider ins Leere gegangen ist
Die Drittschuldnerin teilte nach § 840 ZPO im Rahmen der Drittschuldnererklärung aber mit, dass der Schuldner nicht mehr für sie tätig sei. Die anwaltliche Vergütung des Bevollmächtigten des Gläubigers wurde dann unter Berücksichtigung eines Mehrvertretungszuschlages – nach der Kostentabelle vor dem 2. KostRMoG – und ausgehend von der Gesamtforderung als Streitwert auf 207,30 EUR festgesetzt.
Hinweis
Für die Beantragung des PfÜB fällt eine 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VVRVG an, die sich aufgrund des Mehrvertretungszuschlags für einen weiteren Auftraggeber um 0,3 auf eine 0,6-Verfahrensgebühr erhöht. Nach neuem Kostenrecht wären dem Anwalt also 221 EUR netto (262,99 EUR brutto) zugeflossen.
Auf die Erinnerung der Landeskasse hat das AG den Vergütungsfestsetzungsbeschluss aufgehoben, soweit eine über einen Betrag von 14,28 EUR hinausgehende Vergütung festgesetzt worden ist. Ferner hat es die Beschwerde zugelassen.
Hinweis
Die Berechnung beruhte nunmehr auf einem Streitwert von 0 bis 300 EUR nach altem Recht, so dass lediglich die Mindestgebühr festgesetzt wurde, die nach neuem Recht zu einem Betrag von 18 EUR netto (21,42 EUR brutto) geführt hätte.
Das LG hat die Beschwerde des Bevollmächtigten zurückgewiesen, die weitere Beschwerde aber zugelassen, über die nun das OLG Naumburg im Sinne des anwaltlichen Gebühreninteresses entschieden hat.
2 II. Die Entscheidung
Gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG richtet sich in der Zwangsvollstreckung der Gegenstandswert nach dem Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung; soll ein bestimmter Gegenstand gepfändet werden und hat dieser einen geringeren Wert, ist der geringere Wert maßgebend.
Streit um die Bewertung der Werthaltigkeit
Es ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, welche Auswirkungen es auf die nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG im Vollstreckungsverfahren entstandenen Gebühren hat, wenn sich im Nachhinein die Wertlosigkeit des gepfändeten Gegenstands herausstellt.
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Nach einer ersten Auffassung können in einem solchen Fall die Rechtsanwaltsgebühren nur aus dem gesetzlichen Mindeststreitwert von 500 EUR (§ 13 Abs. 1 S. 1 RVG n.F.) berechnet werden, wobei dem Rechtsanwalt auch bei einem nur den Bruchteil einer vollen Gebühr ausmachenden Gebührentatbestand zumindest die Mindestgebühr von 15 EUR nach § 13 Abs. 2 RVG n.F. zusteht (OLG Köln Rpfleger 2001, 149; LG Stuttgart MDR 2013, 1312; LG Hamburg ZMR 2009, 697; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 21. Aufl., § 25 Rn 14). |
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Nach einer zweiten Ansicht ist bei einem wertlosen Pfändungsobjekt auf den Wert der zu vollstreckenden Forderung abzustellen (LG Hamburg AnwBl 2006, 499; LG Düsseldorf AGS 2006, 86; LG Kiel JurBüro 1991, 1198; Hartmann, Kostengesetze, 43. Aufl., RVG, § 25 Rn 5) und hierbei den subjektiven Vorstellungen des Vollstreckungsgläubigers bzw. seines Verfahrensbevollmächtigten vom Wert des Vollstreckungsobjekts eine maßgebliche Bedeutung jedenfalls dann beizumessen, wenn diese Vorstellungen hinreichend plausibel sind und eine nachvollziehbare Grundlage haben (OLG Karlsruhe NJW-RR 2011, 501). |
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Eine dritte Meinung hält den höchsten während der Zwangsvollstreckungsmaßnahme ermittelten Wert des Vollstreckungsobjekts für maßgeblich, der mangels anderweitiger Grundlagen ggf. durch anwaltliche Schätzung zu ermitteln sei (Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., § 25 Rn 9–15). |
OLG: Es kommt auf die Vollstreckungsforderung an
Das OLG Naumburg schließt sich der zweiten Auffassung an. Es widerspricht der Systematik des RVG, die Höhe des Anwaltshonorars vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig zu machen. Ferner ist für die Bewertung einer Gebühren auslösenden Tätigkeit in der Regel auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem mit dieser Tätigkeit begonnen wird, da die Gebührenforderung, auch wenn sie nach § 8 Abs. 1 S. 1 RVG grundsätzlich erst mit Beendigung der anwaltlichen Tätigkeit fällig wird, bereits mit dem Beginn der Tätigkeit entsteht (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., § 8 Rn 1). Schließlich ist es nicht zwingend, auf den erst nachträglich ermittelten objektiven Wert des Vollstreckungsobjekts abzustellen. Denn es ist durchaus auch mit dem Wortlaut des § 25 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 RVG in Einklang zu bringen, den subjektiven Vorstellungen des Vollstreckungsgläubigers...