Wird das Arbeitseinkommen des Schuldners gepfändet, so bestimmt sich das pfändbare Arbeitseinkommen nach dem Nettolohn. Die Bestimmung des Nettolohnes richtet sich dabei nach § 850e Nr. 1 ZPO. Für den Gläubiger ist es lohnend, aufgrund der ihm vom Drittschuldner zu übersendenden Lohnabrechnung (BGH FoVo 2013, 56) die Berechnung des Nettolohns zu kontrollieren. Nicht selten ist für die Praxis feststellbar, dass der Drittschuldner lediglich das Grundgehalt ansetzt oder aber vom Auszahlungsbetrag ausgeht. Beides kann sich für den Gläubiger nachteilig auswirken.
Nur teilweise pfändbare Beträge berücksichtigen
§ 850a ZPO benennt unter der irreführenden Überschrift der "unpfändbaren Bezüge" einzelne Entgeltbestandteile, die nur teilweise zu berücksichtigen sind. Es ist deshalb zu prüfen, ob die pfändbaren Anteile bei der Berechnung des Nettolohns hinreichende Beachtung gefunden haben. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass im Anwendungsbereich des § 850a ZPO die Möglichkeit von Manipulationen besonders groß ist. So kann etwa die regelmäßige Arbeitszeit (vermeintlich) reduziert werden, um mit dann vermeintlichen Mehrarbeitsstunden eine identische Arbeitsleistung zu erbringen, deren Ertrag jedoch nur teilweise in die Nettolohnberechnung eingebracht wird.
Beispiel
Der verheiratete, aber kinderlose Schuldner bezieht bei einer wöchentlichen Arbeitsleistung von 40 Stunden ein Nettoeinkommen von 1.600 EUR. Hieraus errechnet sich ein pfändbarer Betrag von 60,98 EUR. Nunmehr vereinbart er mit dem Arbeitgeber arbeitsvertraglich eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 30 Stunden. Weitere 10 Stunden wöchentlich leistet er jedoch als Mehrarbeitsstunden, so dass er weiterhin einen Nettoverdienst von 1.600 EUR erzielt. Da die regelmäßige Arbeitszeit um 25 % und damit auch das regelmäßige Nettoeinkommen um den gleichen Anteil auf 1.200 EUR vermindert wurden, wird der Verdienst für die Mehrarbeitsstunden von 400 EUR (1.600 EUR x 25 %) nur zur Hälfte in das Nettoeinkommen eingerechnet. Hieraus ergibt sich dann ein zu berücksichtigendes Nettoeinkommen von 1.400 EUR, was bei einer unterhaltsberechtigten Person nicht mehr zu einem pfändbaren Betrag führt.
Berechnung im Einzelfall
Vor dem Hintergrund dieses Beispiels bedarf es also der Kontrolle, ob die Ermittlung des Nettoeinkommens zutreffend erfolgt ist. Hierbei hilft die nachfolgende Tabelle:
Bruttoeinkommen |
… EUR |
+ Sachleistungen |
… EUR |
./. die Hälfte der Mehrarbeitsvergütung |
… EUR |
./. übliches Urlaubsgeld |
… EUR |
./. übliche Treue- und Jubiläumszuwendungen |
… EUR |
./. übliche Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder oder sonstige Zulagen für auswärtige Beschäftigungen |
… EUR |
./. übliche Entgelte für selbstgestelltes Arbeitsmaterial |
… EUR |
./. übliche Gefahren-, Schmutz- und Erschwerniszulagen |
… EUR |
./. Weihnachtsgeld bis zur Hälfte des Arbeitseinkommens, höchstens 500 EUR |
… EUR |
./. Heirats- und Geburtshilfen, sofern nicht wegen Ansprüchen aus Anlass der Heirat oder der Geburt vollstreckt wird |
… EUR |
./. Erziehungsgelder, Studienbeihilfen und ähnliche Bezüge |
… EUR |
./. Sterbe- und Gnadenbezüge |
… EUR |
./. Blindenzulagen |
… EUR |
./. Lohnsteuer |
… EUR |
./. Solidaritätszuschlag |
… EUR |
./. Kirchensteuer |
… EUR |
./. Sozialversicherungsbeiträge |
… EUR |
./. sonstige steuerrechtliche Abgaben |
… EUR |
./. sonstige sozial(versicherungs-)rechtliche Abgaben |
… EUR |
./. übliche private Krankenversicherungskosten |
… EUR |
Nettoeinkommen |
… EUR |
Informationen zu Naturalleistungen und zur Üblichkeit
Hinsichtlich der Naturalleistungen ist einerseits auf den Nachweis in der Lohnabrechnung, andererseits auf die Auskünfte des Schuldners, etwa im Rahmen der Vermögensauskunft, aber auch durch die Aktivierung seiner Auskunftspflicht nach § 836 Abs. 3 ZPO, zurückzugreifen. Wegen der Bewertung solcher Naturalleistungen kann ebenso wie zur Bestimmung der Frage, ob die genannten Abzugsbeträge üblich sind, auf steuerrechtliche Verwaltungsvorschriften zurückgegriffen werden. Die maßgeblichen Positionen werden nämlich auch steuer- und sozialversicherungsfrei gestellt, sofern sie bestimmte Freibeträge – nämlich den Rahmen des Üblichen – nicht übersteigen. Auch können Erkundigungen bei den Industrie- und Handelskammern oder den Handwerkskammern weiterhelfen. Im Ergebnis wird so nicht nur der Nettolohn zutreffend berechnet, sondern zugleich werden Manipulationsversuche des Schuldners aufgedeckt.
FoVo 11/2015, S. 204 - 205