Leitsatz
Erhält der Schuldner einen Vorschuss in Höhe von drei Monaten auf seinen künftigen Anspruch auf Witwenrente, so ist nicht der gesamte Vorschuss unpfändbar, sondern allein der unpfändbare Anteil der Witwenrente nach Zusammenrechnung mit dem Einkommen des Schuldners.
AG Oranienburg, 9.11.2015 – 91 M 1373/13
1 I. Der Fall
Vorschuss auf Witwerrente
Der Schuldner beantragt die Festsetzung eines abweichenden pfändungsfreien Betrages im Sinne von § 850k Abs. 4 ZPO. So möchte er die Vorschusszahlung auf die Witwerrente nach seiner verstorbenen Ehefrau gänzlich von der Pfändung seines Girokontos, welches als P-Konto geführt wird, erreichen. Der Gläubiger wurde angehört, hat jedoch keine Stellungnahme abgegeben.
2 II. Die Entscheidung
Nicht die gesamte Rente ist freizugeben …
Aus dem maßgeblichen Bescheid ergibt sich, dass dem Schuldner ein Vorschuss auf die Witwenrente für die drei auf den Sterbemonat August 2015 folgenden Monate in Höhe von insgesamt 3.690,65 EUR, bewilligt wurde. Dieser Betrag wurde noch um den bereits über den Sterbemonat hinaus für September 2015 angewiesenen Betrag von 1.214,81 EUR reduziert, so dass als Vorschuss für noch zwei Monate ein Betrag von 2475,84 EUR auf das gepfändete Konto überwiesen wurde. Der auf den einzelnen Monat umgerechnete Vorschuss beträgt damit 1.237,92 EUR. Weiterhin ergibt sich aus den vorgelegten Kontoauszügen, dass der Schuldner selbst über ein Einkommen aus Rente in Höhe von 941,91 EUR verfügt. Zusammen mit dem für einen einzelnen Monat gezahlten Vorschuss ergibt sich damit ein Gesamteinkommen des Schuldners von jeweils 2.179,83 EUR für die Monate Oktober und November 2015.
… sondern nur der pfändungsfreie Anteil
Nach der Pfändungsfreigrenzentabelle zu § 850c ZPO ist hiervon ein Betrag von 767,28 EUR verfügbar. Unterhaltsverpflichtungen hatte der Schuldner nicht angegeben. Es verbleibt damit ein pfändungsfreies Gesamteinkommen des Schuldners für die Monate Oktober und November 2014 von jeweils 1.412,55 EUR, nach Abzug der Rente des Schuldners (941,91 EUR) ergibt sich ein unpfändbar Betrag aus der Witwenrente von 470,64 EUR für den einzelnen Monat. Da der Vorschuss im September 2015 auf dem gepfändeten Konto eingegangen ist, war der dem Schuldner ohnehin zustehende unpfändbare Sockelbetrag für September 2015 um insgesamt 941,28 EUR (unpfändbarer Betrag für Oktober und November 2015) zu erhöhen.
Verwendungszweck unerheblich
Eine weitere Erhöhung konnte nicht erfolgen, insbesondere konnte hier leider keine Berücksichtigung finden, dass der Schuldner diesen Betrag möglicherweise für die Begleichung der Bestattungskosten benötigt. Es handelt sich hier nach dem vorgelegten Bescheid der Rentenstelle gerade nicht um eine zweckgebundene Zahlung für Beerdigungskosten, die aufgrund ihrer Zweckgebundenheit für den pfändenden Gläubiger unpfändbar wäre. Vielmehr handelt es sich um eine laufende Geldzahlung zur Deckung des Lebensunterhaltes des Schuldners, die lediglich als einkommenserhöhend und innerhalb der Pfändungsfreigrenzen als pfändbar einzuordnen war. Der Gesetzgeber hat in § 850k ZPO lediglich die Freigabe von Kontoguthaben vorgesehen. Befindet sich auf dem gepfändeten Konto kein oder ein geringeres Guthaben, als mit diesem Beschluss freigegeben wurde, kann der Schuldner auch nur über diesen Betrag verfügen.
3 Der Praxistipp
Auf richtige Berechnung achten
Die Entscheidung zeigt, wie eine konsequente Rechtsanwendung die Rechte des Gläubigers sichert. Während der Schuldner die Freigabe eines Betrages von 2.475,84 EUR beantragte, wurden ihm letztlich nur 941,91 EUR bewilligt. Die Differenz von immerhin 1.533,93 EUR fließt dem Gläubiger zu. Die Praxis zeigt, dass nicht jedes Amtsgericht die zutreffende Art der Berechnung erkennt. Insoweit hatte der Gläubiger im vorliegenden Verfahren "Glück", dass in dieser Weise sorgfältig gearbeitet wurde. Sachgerechter wäre es gewesen, zu dem Schutzantrag entsprechend Stellung zu nehmen. Im Ergebnis bleibt, dass auch die Witwen- bzw. Witwerrente zum Einkommen des Schuldners zählt, insoweit mit dessen originären Einkommen zusammenzurechnen und der Pfändungsfreibetrag aus dem Gesamteinkommen zu berechnen ist.
FoVo 11/2015, S. 218 - 220