BGH folgt – weitgehend – den Vorinstanzen
Der BGH ist AG und LG weitgehend in der Argumentation gefolgt, dass Nachtschichtzuschläge als Erschwernisausgleich für die ungünstige Arbeitszeit gewährt würden und deshalb nach § 850a Nr. 3 ZPO von der Pfändung freizustellen seien. Der BGH hat dies allerdings um die Einschränkung ergänzt, dass dies nur gilt, wenn die Nachtschichtzuschläge steuerfrei im Sinne des § 3b EStG gewährt würden.
Nach § 850a Nr. 3 ZPO sind unpfändbar Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und sonstige soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigungen, das Entgelt für selbstgestelltes Arbeitsmaterial, Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen. Aus dem Wortlaut des § 850a Nr. 3 ZPO ergibt sich danach nicht eindeutig, ob Zuschläge für Nachtarbeit als "Erschwerniszulagen" zu qualifizieren sind.
In der vollstreckungsrechtlichen Literatur ist bisher umstritten gewesen, ob Nachtarbeitszuschläge
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in jedem Fall, |
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nur soweit sie steuerlich begünstigt sind, |
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nur wenn positiv eine bestimmte Erschwernis festgestellt wird oder |
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gar nicht pfändungsfrei sind. |
Diese Streitfrage hat der BGH nun – weitgehend – im Sinne der Schuldner entschieden, wenn er auf den Gleichklang mit der steuerlichen Behandlung abstellt. Historisch gesehen seien Nachtarbeitszeiten nicht als Erschwernis im Sinne der Pfändungsschutzvorschriften angesehen worden. Nach den aktuellen Erkenntnissen stelle die Leistung von Arbeit zur Nachtzeit jedoch eine generell mit gesundheitlichen Risiken für den Schuldner verbundene Erschwernis seiner Arbeit dar (Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, ABl L 299 vom 18.11.2003, S. 9 ff., Erwägungsgrund 7; Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23.11.1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, ABl L 307 vom 13.12.1993, S. 18 ff., Erwägungsgründe), die es aus Sicht des BGH rechtfertigen, zur Abgeltung dieser Erschwernis gezahlte Nachtarbeitszuschläge als nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbare Erschwerniszulagen zu qualifizieren, soweit diese den Rahmen des Üblichen nicht überschreiten. Als Anhaltspunkt für den üblichen Rahmen gewährter Nachtarbeitszuschläge sieht der BGH dabei § 3b EStG, wonach Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, in bestimmtem Umfang steuerfrei sind.
Hinweis
Nach dem BGH kommt es dabei nicht darauf an, ob Nachtarbeitszuschläge für die konkrete Tätigkeit "üblicherweise" gezahlt werden. Allerdings wird es auch hier eine Missbrauchskontrolle geben müssen, etwa wenn sich ergibt, dass ein Teil des Lohnes erkennbar nur in Zusammenhang mit einer Pfändung in Nachtarbeitszuschläge umgewandelt wurde und andere Arbeitnehmer mit vergleichbarer Tätigkeit und vergleichbaren Arbeitszeiten solche Zuschläge nicht erhalten.
Grenzen der Unpfändbarkeit sehen
Der Gläubiger darf aber die Grenze als Missbrauchsschranke ebenso wenig übersehen wie die richtige Berechnung des pfändungsfreien Teils des Arbeitslohns.
Hinweis: Die steuerliche Behandlung von Nachtarbeitszuschlägen
Steuerfrei sind nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 EStG Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, soweit sie für Nachtarbeit 25 Prozent des Grundlohns nicht übersteigen. Wenn die Nachtarbeit vor 0 Uhr aufgenommen wird, erhöht sich der Zuschlagssatz § 3b Abs. 3 Nr. 1 EStG für Nachtarbeit in der Zeit von 0 Uhr bis 4 Uhr auf 40 Prozent.
Pfändungsfreien Betrag richtig berechnen
Grundlohn ist nach § 3b Abs. 2 EStG der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht; er ist in einen Stundenlohn umzurechnen und mit höchstens 50 EUR anzusetzen. Nachtarbeit ist die Arbeit in der Zeit von 20 Uhr bis 6 Uhr.
Damit ergibt sich ein steuerlicher Zuschlag von 20 Uhr bis 0.00 Uhr und von 04.00 Uhr bis 06.00 Uhr von höchstens 62,50 EUR (50 EUR + 25 %) und zwischen 00.00 Uhr und 04.00 Uhr von 70 EUR (50 EUR + 40 %). Im Einzelfall ist aber der konkrete Grundlohn festzustellen.
Beispiel
Aus der Lohnabrechnung ergibt sich, dass der Schuldner einen Grundstundenlohn von 12,50 EUR erhält. Damit bleiben steuerfrei
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der Nachzuschlag zwischen 20 Uhr bis 0.00 Uhr und zwischen 04.00 Uhr bis 06.00 Uhr von 3,13 EUR und |
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der Nachtzuschlag zwischen 00.00 Uhr und 04.00 Uhr von 5,00 EUR. |
Inwieweit der Grundlohn pfändungsfrei bleibt, bestimmt sich dagegen nach § 850c bzw. – bei der Pfändung wegen einer privilegierten Unterhaltsforderung – nach § 850d ZPO. Es darf also nicht der Fehler gemacht werden, auch den Grundlohn von der Pfändung auszunehmen, nur weil auf ihn ein Zuschlag gezahlt wird.
Drittschuldner oder Schuldner müssen agieren
Zunächst ist der Drittschuldner gefordert, die Unpfändbarkeit bestimmter Bezüge zu prüfen und dies zu berücksichtigen. Ob er dies getan hat, ...