Leitsatz
1. Eine Pfändung von Erbteilen oder Pflichtteilsansprüchen ist vor Eintritt des Erbfalls nicht zulässig.
2. Vor Beendigung des Güterstands können mögliche künftige Ansprüche eines Ehegatten auf Zugewinnausgleich nicht gepfändet werden.
LG Trier, Beschl. v. 9.7.2018 – 5 T 48/18
1 I. Der Fall
Zwangsvollstreckung in künftige Forderungen …
Die Beschwerdeführerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einer vollstreckbaren notariellen Urkunde wegen Ansprüchen in Höhe von insgesamt 69.101,88 EUR. Mit Schreiben vom 5.4.2018 hat sie beim Amtsgericht (AG) beantragt, die folgenden Forderungen zu pfänden, die sich gegen die (lebenden) Eltern des Schuldners sowie seine Ehefrau geb. B (bei bestehender Ehe) richten sollen:
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Ansprüche des Schuldners auf Zahlung des Pflichtteils im Fall des Versterbens seiner Eltern und/oder seiner Ehefrau einschließlich Ansprüchen auf Auskunft, Zahlung der Differenz zwischen einer etwaigen Zuwendung von Todes wegen und dem Pflichtteil, Auszahlung des Zusatzpflichtteils und auf pauschalierten Zugewinnausgleich, |
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Ansprüche des Schuldners als Mitglied einer Erbengemeinschaft nach seinen Eltern oder nach seiner Ehegattin einschließlich des Rechts, über den Anteil des Schuldners am Nachlass zu verfügen, auf Aufhebung einer entstehenden Erbengemeinschaft, des Anspruchs auf Auszahlung des Überschusses einer Teilung der Erbengemeinschaft, des Anspruchs auf Auskunftserteilung und der Ansprüche auf Ausgleichung unter den Miterben, |
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Anspruch auf Zugewinnausgleich im Falle der Beendigung der Zugewinngemeinschaft. |
AG: Es fehlt an einer rechtlichen Grundlage
Das AG hat den Antrag mit Beschluss vom 23.4.2018, zugestellt am 27.4.2018, zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, noch nicht entstandene zukünftige Forderungen unterlägen der Pfändung nur dann, wenn bereits eine rechtliche Grundlage vorhanden sei. Reine Hoffnungen und Erwartungen könnten noch nicht gepfändet werden. Bei allen Ansprüchen, die die Klägerin pfänden wolle, fehle es bisher an einer rechtlichen Grundlage.
Gläubiger sieht hinreichend verfestigte Rechtsverhältnisse
Mit ihrer am 9.5.2018 bei dem AG eingegangenen sofortigen Beschwerde verfolgt die Gläubigerin ihren Antrag weiter. Sie führt aus, nach höchstrichterlicher Rechtsprechung könne ein Pflichtteilsanspruch des Schuldners bereits vor vertraglicher Anerkennung oder Rechtshängigkeit gepfändet werden. Auch ein Anspruch des Schuldners als Mitglied einer Erbengemeinschaft nach seinen noch lebenden Eltern, mit deren Tod aber in absehbarer Zeit zu rechnen sei, sei pfändbar. Dass er ihr gesetzlicher Erbe werde, stehe fest. Demzufolge werde er sie entweder beerben oder pflichtteilsberechtigt sein. Auch ein Anspruch auf Zahlung des Zugewinnausgleichs könne gepfändet werden, ohne dass dieser durch Vertrag anerkannt worden oder rechtshängig geworden sei.
2 II. Die Entscheidung
LG folgt dem AG
Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 11 Abs. 1 RPflG, 793 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Beschwerdefrist des § 569 ZPO gewahrt. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das AG die beantragten Pfändungen abgelehnt.
Hoffnungen und Erwartungen sind nicht pfändbar
Eine Pfändung von Erbteilen oder Pflichtteilsansprüchen ist vor Eintritt des Erbfalls nicht zulässig. Grundsätzlich ist sie möglich. Solange der Erbfall noch nicht eingetreten ist, handelt es sich aber nur um bloße Hoffnungen oder Erwartungen, die nicht gepfändet werden können (BeckOK-ZPO/Riedel, § 829 Rn 7; Musielak/Voit, ZPO, § 852 Rn 1).
Es fehlt an der Identifizierbarkeit des künftigen Rechtes
In Abgrenzung dazu können künftige, auch bedingte, Forderungen durchaus gepfändet werden. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich der Beschluss auf ein künftiges Recht des Schuldners bezieht, das als solches identifizierbar ist. Es muss nach seiner Rechtsqualität und der Person des Drittschuldners aufgrund einer Rechtsbeziehung bestimmbar sein, die zum Zeitpunkt der Pfändung bereits besteht (MüKo-ZPO/Smid, § 829 Rn 13). Diese Voraussetzung ist insbesondere bei noch nicht zum Entstehen gelangten Forderungen unverzichtbar. Für zulässig gehalten wird die Pfändung von Forderungen aus Kontokorrentverhältnissen, Ansprüchen auf Provision aus künftig abzuschließenden Geschäften, Forderungen aus künftigen Warenlieferungen und Dienstleistungen, wenn ihnen bestimmte Rechtsbeziehungen zwischen Schuldner und Drittschuldner zugrunde liegen. Ist dagegen die Person des Drittschuldners ungewiss, fehlt es an der erforderlichen pfändungsrechtlichen Bestimmbarkeit (Stein/Jonas/Brehm, ZPO, § 829 Rn 7).
Rolle des Schuldners vor dem Erbfall ist nicht bestimmt
Solange der Erbfall noch nicht eingetreten ist, ist die Rechtsbeziehung des Schuldners zu den Erben oder Miterben der von der Gläubigerin in Aussicht genommenen Erblasser unbestimmt. Er kann selbst Mitglied einer Erbengemeinschaft oder auch Pflichtteilsgläubiger werden oder auch alleiniger Erbe. Im letzten Fall gäbe es überhaupt keine Drittschuldner, gegen die...