Der BGH folgt AG und LG nicht
Der BGH hat die Beschlüsse von AG und LG aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Auf der festgestellten Tatsachengrundlage kann der Antrag der Gläubigerin auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses mit der gegebenen Begründung nicht zurückgewiesen werden.
Was ist Pfändungsgegenstand?
Das LG hat den Pfändungsantrag der Gläubigerin zutreffend dahin ausgelegt, dass der Anspruch des Schuldners gegen den Drittschuldner auf Auszahlung der auf dem "Taschengeldkonto" verwalteten Geldbeträge gepfändet werden soll. Dabei ist der Pfändungsantrag dahin zu verstehen, dass Gegenstand der Pfändung zum einen der Anspruch auf Auszahlung des gegenwärtigen Guthabens und zum anderen die künftigen Auszahlungsansprüche hinsichtlich der monatlich auf dem "Taschengeldkonto" eingehenden Geldbeträge sein sollen.
1. Pfändungsschutz nach § 851 ZPO
BGH sieht begrenzte Pfändbarkeit nach § 851 ZPO
Der Anspruch des Schuldners gegen den Drittschuldner auf Auszahlung des gegenwärtig auf dem "Taschengeldkonto" verwalteten Guthabens sowie die künftigen Ansprüche des Schuldners gegen den Drittschuldner auf Auszahlung der jeweils monatlich auf dem "Taschengeldkonto" eingehenden Geldbeträge sind gemäß § 851 Abs. 1 ZPO, § 399 1. Fall BGB jeweils bis zu der Höhe unpfändbar, die in § 27b Abs. 3 SGB XII für den angemessenen Barbetrag geregelt ist.
Checkliste: Die Prüfungsfolge
Die Prüfungsfolge gestaltet sich nach dem BGH wie folgt:
1. Nach § 851 ZPO ist eine Forderung der Pfändung nur insoweit unterworfen, als sie übertragbar ist.
2. Eine Forderung kann nach § 399 1. Fall BGB nicht abgetreten werden, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann.
3. Der Barbetragsanspruch nach § 27b Abs. 3 SGB XII ist ein höchstpersönlicher Anspruch, weil er den notwendigen Unterhalt des Bedürftigen decken soll. Er ist daher nicht ohne Veränderung seines Inhaltes pfändbar.
4. § 27b Abs. 3 SGB XII regelt, dass ein Heimbewohner, der das 18. Lebensjahr bereits vollendet hat, über 27 % der Regelbedarfsstufe 1, die ab dem 1.1.2021 von bisher 432 EUR auf 446 EUR angehoben wird, als Barbetrag zur Bestreitung seiner persönlichen Bedürfnisse verfügen können muss. Das ist Teil seines notwendigen Lebensunterhaltes. Das entspricht einem Betrag von 120,42 EUR. Dieser Betrag ist unpfändbar, ein darüber hinausgehender (angesparter) Betrag sehr wohl.
Die §§ 851 Abs. 1, 399 1. Fall BGB, § 27b Abs. 3 SGB XII stehen einer Pfändbarkeit also grundsätzlich nicht entgegen, soweit das jeweils vorhandene Guthaben den aus § 27b Abs. 3 SGB XII für einen Monat anzusetzenden Betrag übersteigt.
BGH definiert Schutzzwecke der Pfändungsschutzvorschriften
Der BGH schließt dann weitere Pfändungsschutzvorschriften aus. Dem kommt vor dem Hintergrund Bedeutung zu, dass Rechtspfleger entsprechende Pfändungsanträge mit solchen Begründungen zurückweisen. Dem kann mit den nachfolgenden Begründungen entgegengetreten werden. Zum anderen zeigt der BGH noch einmal die Schutzzwecke der verschiedenen Pfändungsschutzvorschriften auf und begrenzt damit zugleich ihren Anwendungsbereich.
2. Schutz der Sozialhilfe nicht betroffen
Allerdings ergibt sich die Unpfändbarkeit der Auszahlungsansprüche in dieser Höhe nicht aus einer Anwendung der Pfändungsschutzvorschrift des § 17 Abs. 1 S. 2 SGB XII. Dabei kann dahinstehen, ob der Schuldner überhaupt Sozialhilfe bezieht. Denn eine Anwendbarkeit des § 17 Abs. 1 S. 2 SGB XII scheidet schon deshalb aus, weil nicht ein etwaiger Anspruch des Schuldners gegen den Leistungsträger auf Sozialhilfe gepfändet werden soll. Die Vorschrift betrifft ausdrücklich nur den Anspruch auf Sozialhilfe. Ist die Sozialhilfe an den Schuldner bereits ausbezahlt oder überwiesen, greift das Verbot des § 17 Abs. 1 S. 2 SGB XII nicht mehr ein (Coseriu, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. (Stand: 1.2.2020), § 17 Rn 30).
3. Schutz von Arbeitseinkommen und Kontoguthaben nicht betroffen
Kein Pfändungsschutz als Arbeitseinkommen oder Kontoguthaben …
Eine Unpfändbarkeit der betreffenden Auszahlungsansprüche ergibt sich ferner nicht aus § 850c ZPO. Der Schuldner kann sich nicht auf die Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO berufen, weil diese Vorschrift die Pfändung von Arbeitseinkommen im Sinne des § 850 ZPO sowie – über die Verweisung in § 54 Abs. 4 SGB I – die Pfändung von Ansprüchen auf laufende Geldleistungen nach dem SGB, etwa Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung, betrifft, die hier nicht in Rede stehen. Der Pfändungsschutz dieser Vorschrift erstreckt sich nicht auch auf das zur Bewirkung der als Arbeitsentgelt oder Rente geschuldeten Leistungen bereits ausbezahlte oder überwiesene Geld (vgl. BGH FamRZ 2004, 1717).
Da es sich bei dem von dem Drittschuldner geführten "Taschengeldkonto" nicht um ein Pfändungsschutzkonto bei einem Kreditinstitut handelt, ist die Pfändungsschutzvorschrift des § 850k ZPO...