Leitsatz
1. Der Anspruch des sich in einer Pflegeeinrichtung befindenden Schuldners gegen den Träger der Pflegeeinrichtung auf Auszahlung des gegenwärtig auf einem "Taschengeldkonto" verwalteten Guthabens sowie die künftigen Ansprüche des Schuldners gegen den Träger der Pflegeeinrichtung auf Auszahlung der jeweils monatlich auf dem "Taschengeldkonto" eingehenden Geldbeträge sind gemäß § 851 Abs. 1 ZPO, § 399 1. Fall BGB jeweils bis zu der Höhe unpfändbar, die in § 27b Abs. 3 SGB XII für den angemessenen Barbetrag geregelt ist.
2. Diese Vorschriften stehen einer Pfändbarkeit indes grundsätzlich nicht entgegen, soweit das jeweils vorhandene Guthaben den aus § 27b Abs. 3 SGB XII für einen Monat anzusetzenden Betrag übersteigt.
BGH, Beschl. v. 30.4.2020 – VII ZB 82/17
1 I. Der Fall
Vollstreckung beim Altenzentrum
Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner, der in einem Altenzentrum wohnt, die Zwangsvollstreckung aus einem vollstreckbaren Versäumnisurteil. Das Altenzentrum als Drittschuldner verwaltet für den Schuldner auf einem sogenannten "Taschengeldkonto" einen monatlichen Geldbetrag.
Pfändung des Taschengeldes scheitert
Unter dem 27.4.2017 hat die Gläubigerin den Antrag auf "Pfändung des Taschengeldes, das der Schuldner erhält, lt. Angaben im Vermögensverzeichnis ca. 100,00 EUR monatlich" und auf Überweisung des Anspruchs zur Einziehung gestellt. AG und LG haben den Antrag der Gläubigerin zurückgewiesen. Jetzt musste der BGH entscheiden.
2 II. Aus der Entscheidung und für die Praxis
Der BGH folgt AG und LG nicht
Der BGH hat die Beschlüsse von AG und LG aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Auf der festgestellten Tatsachengrundlage kann der Antrag der Gläubigerin auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses mit der gegebenen Begründung nicht zurückgewiesen werden.
Was ist Pfändungsgegenstand?
Das LG hat den Pfändungsantrag der Gläubigerin zutreffend dahin ausgelegt, dass der Anspruch des Schuldners gegen den Drittschuldner auf Auszahlung der auf dem "Taschengeldkonto" verwalteten Geldbeträge gepfändet werden soll. Dabei ist der Pfändungsantrag dahin zu verstehen, dass Gegenstand der Pfändung zum einen der Anspruch auf Auszahlung des gegenwärtigen Guthabens und zum anderen die künftigen Auszahlungsansprüche hinsichtlich der monatlich auf dem "Taschengeldkonto" eingehenden Geldbeträge sein sollen.
1. Pfändungsschutz nach § 851 ZPO
BGH sieht begrenzte Pfändbarkeit nach § 851 ZPO
Der Anspruch des Schuldners gegen den Drittschuldner auf Auszahlung des gegenwärtig auf dem "Taschengeldkonto" verwalteten Guthabens sowie die künftigen Ansprüche des Schuldners gegen den Drittschuldner auf Auszahlung der jeweils monatlich auf dem "Taschengeldkonto" eingehenden Geldbeträge sind gemäß § 851 Abs. 1 ZPO, § 399 1. Fall BGB jeweils bis zu der Höhe unpfändbar, die in § 27b Abs. 3 SGB XII für den angemessenen Barbetrag geregelt ist.
Checkliste: Die Prüfungsfolge
Die Prüfungsfolge gestaltet sich nach dem BGH wie folgt:
1. Nach § 851 ZPO ist eine Forderung der Pfändung nur insoweit unterworfen, als sie übertragbar ist.
2. Eine Forderung kann nach § 399 1. Fall BGB nicht abgetreten werden, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann.
3. Der Barbetragsanspruch nach § 27b Abs. 3 SGB XII ist ein höchstpersönlicher Anspruch, weil er den notwendigen Unterhalt des Bedürftigen decken soll. Er ist daher nicht ohne Veränderung seines Inhaltes pfändbar.
4. § 27b Abs. 3 SGB XII regelt, dass ein Heimbewohner, der das 18. Lebensjahr bereits vollendet hat, über 27 % der Regelbedarfsstufe 1, die ab dem 1.1.2021 von bisher 432 EUR auf 446 EUR angehoben wird, als Barbetrag zur Bestreitung seiner persönlichen Bedürfnisse verfügen können muss. Das ist Teil seines notwendigen Lebensunterhaltes. Das entspricht einem Betrag von 120,42 EUR. Dieser Betrag ist unpfändbar, ein darüber hinausgehender (angesparter) Betrag sehr wohl.
Die §§ 851 Abs. 1, 399 1. Fall BGB, § 27b Abs. 3 SGB XII stehen einer Pfändbarkeit also grundsätzlich nicht entgegen, soweit das jeweils vorhandene Guthaben den aus § 27b Abs. 3 SGB XII für einen Monat anzusetzenden Betrag übersteigt.
BGH definiert Schutzzwecke der Pfändungsschutzvorschriften
Der BGH schließt dann weitere Pfändungsschutzvorschriften aus. Dem kommt vor dem Hintergrund Bedeutung zu, dass Rechtspfleger entsprechende Pfändungsanträge mit solchen Begründungen zurückweisen. Dem kann mit den nachfolgenden Begründungen entgegengetreten werden. Zum anderen zeigt der BGH noch einmal die Schutzzwecke der verschiedenen Pfändungsschutzvorschriften auf und begrenzt damit zugleich ihren Anwendungsbereich.
2. Schutz der Sozialhilfe nicht betroffen
Allerdings ergibt sich die Unpfändbarkeit der Auszahlungsansprüche in dieser Höhe nicht aus einer Anwendung der Pfändungsschutzvorschrift des § 17 Abs. 1 S. 2 SGB XII. Dabei kann dahinstehen, ob der Schuldner überhaupt Sozialhilfe bezieht. Denn eine Anwendbarkeit des § 17 Abs. 1 S. 2 SGB XII ...