OLG widerspricht: vertretbare Handlung

Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Die Anträge des Gläubigers sind gem. § 887 Abs. 1, 2 ZPO begründet, weil die titulierte Verpflichtung zur Übertragung von Bitcoins in einer vertretbaren Handlung i.S.v. § 887 ZPO besteht. Die Verpflichtung, 0,9 Bitcoins, d.h. Kryptowerte i.S.v. § 1 Abs. 11 S. 4 KWG, zu übertragen, richtet sich weder auf eine – gem. §§ 802a ff. ZPO zu vollstreckende – Zahlung eines Geldbetrages noch auf eine – gem. §§ 883 ff. ZPO zu vollstreckende – Herausgabe, sondern auf eine sonstige Handlung. Ob sie gem. § 887 ZPO oder gem. § 888 ZPO zu vollstrecken ist, hängt davon ab, ob die geschuldete Handlung vertretbar ist, d.h. durch einen Dritten vorgenommen werden kann. Es muss vom Standpunkt des Gläubigers aus wirtschaftlich gleichgültig sein, durch wen die Handlung vorgenommen wird, und vom Standpunkt des Schuldners aus rechtlich zulässig sein, dass ein anderer als er selbst die Handlung vornimmt (Zöller/Seibel, ZPO, 33. Aufl., § 887 Rn 2).

OLG positioniert sich in der Streitfrage

Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, wenn der Schuldner zur Herausgabe oder Übertragung von Bitcoins verurteilt worden ist, ist in der Literatur umstritten (für eine Vollstreckung gem. § 888 ZPO BeckOGK-BGB/Mössner, Stand 1.4.2020, § 90 Rn 104.4; Badstuber, DGVZ 2019, 246, 252; Güldü, GmbHR 2019, 565, 568; Ammann, CR 2018, 379, 386; Bräutigam/Rücker-Boehm/Bruns, E-Commerce, 13. Teil E Rn 50; Kütük/Sorge, MMR 2014, 643, 645; a.A. Koch, DGVZ 2020, 85, 88; Effer-Uhe, ZZP 131 (2018), 513, 529). Gerichtliche Entscheidungen dazu sind, soweit ersichtlich, bisher nicht veröffentlicht.

Entscheidend: Woher müssen die Bitcoins kommen?

Für den Gläubiger ist es wirtschaftlich ohne Bedeutung, durch wen und auf welche Weise die Gutschrift von Bitcoins in seinem Wallet herbeigeführt wird. Eine Erfüllung der titulierten Verpflichtung durch einen Dritten oder den Gläubiger selbst wäre zwar, worauf das LG und die zitierten Literaturstimmen zutreffend hinweisen, aus tatsächlichen Gründen nicht möglich, wenn die geschuldeten Bitcoins gerade aus einem Wallet des Schuldners stammen müssten, auf das nur dieser zugreifen kann. Ein derartiges Erfordernis kann dem Titel indes nicht entnommen werden.

Der Schuldner ist dem Klageantrag des Gläubigers entsprechend verurteilt worden, an eine bestimmt bezeichnete Wallet-Adresse des Gläubigers 0,9 Bitcoins "zu übertragen". Dass die Kryptowerte gerade aus einem Wallet des Schuldners stammen müssten und nicht anderweitig beschafft, beispielsweise über die Plattform bitcoin.de erworben worden sein dürften, geht aus dem Wortlaut des Tenors nicht hervor. Auch sonst bestehen keine Anhaltspunkte für eine derartige Beschränkung, die zur Folge hätte, dass der Schuldner nicht leisten müsste, wenn und soweit sich in seinem Wallet keine 0,9 Bitcoins befänden. Im Gegenteil ergibt die Klageschrift, die das gem. §§ 887, 888 ZPO zuständige Prozessgericht auch im Vollstreckungsverfahren berücksichtigen darf (BGH WM 2015, 1949 Rn 22; BGH WM 2010, 358 = NJW 2010, 2137 Rn 12), dass der Gläubiger nicht die Rückgabe gerade der dem Schuldner überlassenen Bitcoin-Anteile, sondern ähnlich wie ein Sachdarlehensgeber Kryptowerte "gleicher Art, Güte und Menge" erstrebte.

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