Leitsatz (amtlich)
Die Verurteilung, Bitcoins an eine bestimmte Wallet-Adresse des Gläubigers zu übertragen, ist auf eine vertretbare Handlung gerichtet und daher gem. § 887 ZPO zu vollstrecken.
Normenkette
ZPO §§ 887-888
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Aktenzeichen 11 O 331/19) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers wird der Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach vom 14.04.2020 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 07.09.2020 abgeändert.
Der Gläubiger wird ermächtigt, die dem Schuldner nach dem Versäumnisurteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 03.12.2019 (11 O 331/19) obliegende vertretbare Handlung, die Übertragung von 0,9 Bitcoin (BTC) auf die Wallet-Adresse ...l des Gläubigers, auf Kosten des Schuldners im Wege der Ersatzvornahme durch ihn oder einen von ihm zu beauftragenden Dritten vornehmen zu lassen.
Der Schuldner wird verurteilt, an den Gläubiger für die Ersatzvornahme einen Kostenvorschuss in Höhe von 7.049,48 EUR zu zahlen.
Der Schuldner trägt die Kosten des Zwangsvollstreckungs- und des Beschwerdeverfahrens.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Durch Versäumnisurteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 03.12.2019 wurde der Schuldner (u.a.) verurteilt, 0,9 Bitcoin (BTC) an die (genau bezeichnete) Wallet-Adresse des Gläubigers zu übertragen. Der Gläubiger vertritt die Auffassung, die titulierte Verpflichtung könne dadurch erfüllt werden, dass er oder ein beliebiger Dritter gegen Bezahlung 0,9 Bitcoin erwerbe und an seine - des Gläubigers - Wallet-Adresse übertrage.
Der Gläubiger hat beantragt,
1. ihn zu ermächtigen, die dem Schuldner nach dem Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 03.12.2019 (11 O 331/19) obliegende vertretbare Handlung, die Übertragung von 0,9 Bitcoin (BTC) auf die Wallet-Adresse ... des Gläubigers, auf Kosten des Schuldners im Wege der Ersatzvornahme durch ihn oder einen von ihm zu beauftragenden Dritten vornehmen zu lassen;
2. den Schuldner zu verurteilen, an ihn für die nach Ziffer 1 vorzunehmende Ersatzvornahme einen Kostenvorschuss in Höhe von 7.049,48 EUR zu zahlen.
Der Schuldner hat zu den Anträgen nicht Stellung genommen.
Das Landgericht hat die Anträge zurückgewiesen. Bei der titulierten Verpflichtung handele es sich um eine gem. § 888 ZPO zu vollstreckende unvertretbare Handlung, weil die Übertragung von Bitcoins die Kenntnis des Speicherorts des privaten Schlüssels des Übertragenden voraussetze, die ein Dritter nicht habe.
Mit der sofortigen Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat, verfolgt der Gläubiger seine Anträge weiter und vertieft seine Argumentation.
Der Schuldner hat zu der sofortigen Beschwerde nicht Stellung genommen.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Die Anträge des Gläubigers sind gem. § 887 Abs. 1, 2 ZPO begründet, weil die titulierte Verpflichtung zur Übertragung von Bitcoins in einer vertretbaren Handlung i.S.v. § 887 ZPO besteht.
Die Verpflichtung, 0,9 Bitcoin, d.h. Kryptowerte i.S.v. § 1 Abs. 11 Satz 4 KWG, zu übertragen, richtet sich weder auf eine - gem. §§ 802a ff. ZPO zu vollstreckende - Zahlung eines Geldbetrages noch auf eine - gem. §§ 883 ff. ZPO zu vollstreckende - Herausgabe, sondern auf eine sonstige Handlung. Ob sie gem. § 887 ZPO oder gem. § 888 ZPO zu vollstrecken ist, hängt davon ab, ob die geschuldete Handlung vertretbar ist, d.h. durch einen Dritten vorgenommen werden kann. Es muss vom Standpunkt des Gläubigers aus wirtschaftlich gleichgültig sein, durch wen die Handlung vorgenommen wird, und vom Standpunkt des Schuldners aus rechtlich zulässig sein, dass ein anderer als er selbst die Handlung vornimmt (Zöller-Seibel, ZPO, 33. Aufl., § 887 Rn. 2).
Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, wenn der Schuldner zur Herausgabe oder Übertragung von Bitcoins verurteilt worden ist, ist in der Literatur umstritten (für eine Vollstreckung gem. § 888 ZPO BeckOGK/BGB-Mössner, Stand 01.04.2020, § 90 Rn. 104.4; Badstuber DGVZ 2019, 246, 252; Güldü GmbHR 2019, 565, 568; Ammann CR 2018, 379, 386; Bräutigam/Rücker-Boehm/Bruns, E-Commerce, 13. Teil E Rn. 50; Kütük/Sorge MMR 2014, 643, 645; a.A. Koch DGVZ 2020, 85, 88; Effer-Uhe, ZZP 131 (2018), 513, 529). Gerichtliche Entscheidungen dazu sind, soweit ersichtlich, bisher nicht veröffentlicht.
Für den Gläubiger ist es wirtschaftlich ohne Bedeutung, durch wen und auf welche Weise die Gutschrift von Bitcoins in seinem "Wallet" herbeigeführt wird. Eine Erfüllung der titulierten Verpflichtung durch einen Dritten oder den Gläubiger selbst wäre zwar, worauf das Landgericht und die zitierten Literaturstimmen zutreffend hinweisen, aus tatsächlichen Gründen nicht möglich, wenn die geschuldeten Bitcoins gerade aus einem "Wallet" des Schuldners stammen müssten, auf das nur dieser zugreifen kann. Ein derartiges Erfordernis kann dem Titel indes nicht entnommen werden.
Der Schuldner ist dem Klageantrag des Gläubigers entsprechend verurteilt worden, an eine bestimmt bezeichnete Wallet-Adresse des Gläubigers 0,9 Bitcoin "zu übertragen". Dass ...