Oder: Kann auch mit einem Hartz IV-Empfänger eine gütliche Einigung erreicht werden?
I. Die Frage
Hartz IV als Hindernis für eine gütliche Einigung?
Unter den Schuldnern, gegen die Forderungen eingezogen werden müssen, finden sich leider auch immer wieder Leistungsbezieher nach dem SGB II oder XII (Hartz IV-Empfänger). Vor diesem Hintergrund erscheint die Titulierung häufig unwirtschaftlich, weil nicht gesichert ist, dass zumindest die dadurch verursachten Kosten später eingezogen werden können. Unsere Mandanten wollen in diesem Fall dann kein gutes Geld schlechtem hinterherwerfen.
Müssen wir wirklich akzeptieren, dass Hartz IV wie eine faktische Insolvenz mit Restschuldbefreiung wirkt? Gibt es hier Ansätze, um eine Realisierung der Forderung doch noch zu erreichen?
II. Die Antwort
Hartz IV ist kein Hindernis für eine gütliche Einigung
Bezieht der Schuldner Hartz IV, ist das sicher ein Indiz dafür, dass sein laufendes Einkommen unterhalb der Pfändungsfreigrenze liegt. Dies gilt auch dann, wenn er die Leistungen nur ergänzend zu Arbeitseinkommen und/oder einer (Erwerbsunfähigkeits-)Rente bezieht.
Allein dies besagt aber nicht, dass eine gütliche Erledigung in Form einer Vergleichsvereinbarung ausscheidet.
▪ |
Ist der Schuldner die Verbindlichkeit in dem Bewusstsein eingegangen, diese nicht begleichen zu können, liegt eine vorsätzlich unerlaubte Handlung vor, die die Forderung (auch) aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB begründen kann. Dann senken sich einerseits die Pfändungsfreigrenzen nach § 850f Abs. 2 ZPO ab und andererseits kann die Forderung nach § 302 InsO insolvenzsicher angemeldet werden. Der Schuldner kann sich von ihr also Zeit seines Lebens nicht befreien. Das ist auch bei der Frage der Realisierungschance nach einer Titulierung zu berücksichtigen. |
▪ |
Kann der Schuldner dagegen aufgrund schicksalhafter Umstände die Forderung nicht begleichen, ist er nicht selten kooperativ, da die Leistungswilligkeit vorhanden ist und die Berechtigung der Forderung nicht in Streit steht. |
So kann der Schuldner sehr wohl ein Eigeninteresse daran haben, zumindest die Zinsen und Kosten auszugleichen, um ein Anwachsen der Forderung und damit seiner Verschuldung zu vermeiden und einen künftigen Start ins Berufsleben nicht noch intensiver zu erschweren. Auch kann er ein Interesse daran haben, sich Zeit zu kaufen, indem er eine verjährungsverlängernde Vereinbarung (§ 202 Abs. 2 BGB) im Gegenzug zu einem Moratorium, d.h. den Aufschub der Forderungseinziehung für mehrere Monate, trifft.
Welche Bedürfnisse deckt Hartz IV?
Im Gespräch mit dem Schuldner muss auch thematisiert werden, wofür er Hartz IV erhält, wenn ein Teil des Geldes (auch) genau für die Bedürfnisse gezahlt wird, die der Forderung zugrunde liegen.
Hinweis
So werden 8,94 % der Leistungen oder aktuell 40,15 EUR für Leistungen der Post- und Telekommunikation gezahlt. Dem Schuldner sollte es also einleuchten, dass er diesen Betrag auch einsetzen muss, um eine Forderung aus einer Telefon- oder Internetrechnung zu begleichen. Es geht also darum, den Schuldner bei der Zusammensetzung von Hartz IV "abzuholen", um ihm eine nachvollziehbare Begründung zu geben, gerade die geltend gemachte Forderung zu begleichen. Es ist deshalb von Bedeutung, die Zusammensetzung von Hartz IV zu kennen.
Anteil am Regelbedarf |
in % von der RL |
in EUR von der RL |
|
|
|
Nahrung, alkoholfreie Getränke |
34,70 % |
155,82 EUR |
Freizeit, Unterhaltung, Kultur |
9,76 % |
43,82 EUR |
Post und Telekommunikation |
8,94 % |
40,15 EUR |
Bekleidung, Schuhe |
8,30 % |
37,26 EUR |
Wohnen, Energie, Wohninstandhaltung |
8,48 % |
38,07 EUR |
Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände |
6,09 % |
27,35 EUR |
andere Waren und Dienstleistungen |
7,97 % |
35,77 EUR |
Verkehr |
8,97 % |
40,27 EUR |
Gesundheitspflege |
3,82 % |
17,14 EUR |
Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen |
2,62 % |
11,73 EUR |
Bildung |
0,36 % |
1,62 EUR |
SUMME |
100 % |
449,00 EUR |
Den Blick auf das Schonvermögen nicht vernachlässigen
Landläufig wird Hartz IV damit gleichgesetzt, dass der Schuldner weder über hinreichendes Einkommen noch über Vermögen verfügt. Zwar kann dies so sein. Es ist aber weder in der Praxis noch nach den rechtlichen Rahmenbedingungen zwingend. § 12 Abs. 2 SGB II gewährt dem Hartz IV-Bezieher nämlich ein Schonvermögen.
Schonvermögen nach § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 SGB II im Wortlaut
Vom Vermögen sind abzusetzen
ein Grundfreibetrag in Höhe von 150 EUR je vollendetem Lebensjahr für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende volljährige Person und deren Partnerin oder Partner, mindestens aber jeweils 3.100 EUR; der Grundfreibetrag darf für jede volljährige Person und ihre Partnerin oder ihren Partner jeweils den nach Satz 2 maßgebenden Höchstbetrag nicht übersteigen,
1a. ein Grundfreibetrag in Höhe von 3 100 EUR für jedes leistungsberechtigte minderjährige Kind …
In den Folgeziffern sind weitere Schonvermögenssachverhalte geregelt. Insoweit sagt allein der Umstand, dass der Schuldner laufende Leistungen nach dem SGB in Form von Hartz IV bezieht, nichts Abschließendes darüber aus, ob er hinsichtlich einer Vergleichsve...