Die Tagzeit und den effektiven Rechtsschutz sehen
Die Entscheidung ist wenig überzeugend. Der Staat nimmt für sich das staatliche Gewaltmonopol – auch in der Zwangsvollstreckung – in Anspruch. Dies muss mit dem Anspruch des Bürgers korrespondieren, dass eine effektive Zwangsvollstreckung gewährleistet wird.
Das AG verfehlt das Thema, wenn es meint, der Gläubiger wolle dem GV die Dienstzeit vorschreibe, die er nicht habe. Das Gegenteil ergibt sich aus § 758a ZPO, den das AG erst gar nicht thematisiert. Aus der Regelung in dessen Abs. 4 ergibt sich, dass der GV grundsätzlich im Rahmen der von 6.00 Uhr morgens bis 21.00 Uhr abends andauernden Tagzeit tätig wird. Innerhalb dieser Dienstzeit mag er seine konkrete Einsatzzeit nach billigem Ermessen bestimmen. Das Ermessen muss aber gerade auch dahin ausgeübt werden, wie eine effektive Zwangsvollstreckung zu gewährleisten ist.
Richterliche Anordnung zur Nachtzeit und an Sonn- und Feiertagen
Vorliegend gab es noch die Besonderheit, dass eine richterliche Anordnung auf eine Vollstreckung zur Nachtzeit oder an Sonn- und Feiertagen vorlag. Auch dies begründete eine Anweisung zur zeitlichen Disposition der Vollstreckung. Wenn schon die Abwägung des Richters dahin geht, dass ein solcher Grundrechtseingriff verhältnismäßig ist, muss der GV gleichwohl durch ein Erscheinen zu unterschiedlichsten Zeitpunkten sicherstellen, dass der geringstmögliche Grundrechtseingriff stattfindet. Sollte – wie hier – der Eindruck entstehen, dass der Schuldner zu Hause ist, aber nur nicht öffnet, gehört dazu auch der verbale Hinweis, dass ein Durchsuchungsbeschluss vorliegt, der auch zur zwangsweisen Öffnung der Wohnung berechtigt. Besteht dagegen der Eindruck, dass der Schuldner abwesend ist, geht es darum, unterschiedliche Zeiten zu wählen, um ihn ohne unmittelbaren Zwang doch noch zu erreichen.
Der Entscheidung des AG lässt sich nicht einmal entnehmen, dass der GV eine alle Aspekte umfassende Abwägung vorgenommen hat. Ermessen darf nicht mit Willkür verwechselt werden. Es bedeutet, dass alle maßgeblichen Aspekte in die Abwägung einzustellen sind und gegeneinander und untereinander abgewogen werden müssen. Dazu gehören neben den angesprochenen Aspekten auch der effektive Vollstreckungsanspruch des Gläubigers ebenso wie das Kostenminderungsgebot (§ 802a Abs. 1 ZPO). Am Ende muss der Schuldner die Kosten tragen (§ 788 ZPO), wobei der Gläubiger das Liquiditätsrisiko trägt.
Ein Grund, den GV nicht mehr zu beauftragen
Gläubiger erleben den GV nach einer Vielzahl von Schilderungen immer mehr als "teures Vollstreckungshindernis". Die Erfolgsbilanz ist bescheiden, wie auch die amtliche Statistik zeigt, und die Aufträge an die GV nehmen deshalb immer mehr ab. Das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Zwangsvollstreckung leidet seit Jahren. Und so darf sich der Rechtsstaat am Ende nicht wundern, wenn das der Zwangsvollstreckung innewohnende Gewaltmonopol am Ende keine Akzeptanz mehr finden wird. Die Justiz im Allgemeinen und die GV im Besonderen täten gut daran, dem Bürger hier ein anderes Gefühl zu vermitteln.
FoVo 11/2024, S. 214 - 217