Wer kennt ihn nicht, den Palandt, den Standardkommentar zum BGB? Und doch ist es immer wieder wichtig, darauf hinzuweisen, dass dieser Kommentar eine unverzichtbare Aufgabe in der juristischen Literatur nicht nur übernimmt, sondern mit gutem Erfolg löst. Und das Jahr für Jahr!
Gesetzgebung und Rechtsprechung entwickeln sich immer rasanter. Die neuen Medien bringen es mit sich, dass immer mehr Entscheidungen veröffentlicht werden. Für den Praktiker, der tagtäglich gefordert ist, im Einzelfall eine juristisch überzeugende Entscheidung vorzubereiten oder zu treffen, ist diese Stofffülle kaum übersehbar und beherrschbar. Umso wichtiger ist es, auf einen Kommentar zurückgreifen zu können, dessen Autoren es in vortrefflicher Weise verstehen, die wesentlichen gesetzgeberischen Impulse ebenso wie die Kernentscheidungen der Rechtsprechung herauszuarbeiten und kurz, knapp und prägnant darzustellen. Da ist es verzeihlich, dass die immer größere Zahl von Abkürzungen dem Leser ein hohes Maß an Mühe abverlangt. Auch in der Forderungsbeitreibung, insbesondere dem Vollstreckungsrecht, hat der Palandt seinen festen Platz. Beispielhaft sei auf die Kommentierung zu § 1357 BGB verwiesen, bei der eine Vielzahl von Einzelfällen aufgeführt wird, in denen nicht nur der Schuldner, sondern auch sein Ehegatte für die vom Schuldner allein begründete Verbindlichkeit haftet. Die sich daraus ergebende Gesamtschuldnerschaft steht gläubigerbenachteiligenden Vermögensverschiebungen zwischen den Ehegatten ebenso entgegen wie sie die Chancen auf eine tatsächliche Befriedigung erhöht. Zwei Schuldner sind mehr als einer. Nicht anders verhält es sich mit den Kommentierungen zu den Verjährungsvorschriften oder den zentralen Vorschriften zur Erstattungsfähigkeit der Rechtsverfolgungskosten, nämlich den Verzugsvorschriften nach §§ 280, 286 BGB.
Wo viel glänzt, müssen aber auch Schatten auffallen. Dem Verhältnis von Rechtsanwaltskosten und Inkassokosten ist der praktischen Bedeutung entsprechend ein eigener Abschnitt gewidmet (§ 286 Rn 46). Die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten bis zur Grenze der nach dem RVG geschuldeten Kosten wird unter Nachweis einer breiten Rechtsprechung anerkannt. So manchem Amtsrichter würde das Studium dieses Abschnittes gut tun. Mit gleicher Deutlichkeit wird ausgesprochen, dass Rechtsanwaltskosten und Inkassokosten dort nicht gemeinsam erstattungsfähig sind, wo aus der Ex-ante-Sicht absehbar war, dass im weiteren Verlauf doch ein Rechtsanwalt eingeschaltet werden muss. Hier muss sich der Gläubiger entscheiden, ob er die Erstattung der Inkassokosten oder der Rechtsanwaltskosten begehrt. Leider bleibt vor dem Hintergrund der zitierten älteren Rechtsprechung unerwähnt, dass den Inkassounternehmen seit dem 1.7.2008 erweiterte Möglichkeiten der Forderungsdurchsetzung zur Verfügung stehen (§§ 79 Abs. 2 Nr. 4 ZPO, 174 InsO). Häufiger als zuvor ist es dem Gläubiger deshalb möglich, eine freie Wahl zwischen dem Rechtsanwalt und dem Inkassounternehmen als Rechtsdienstleister zu treffen. Bestreitet der Schuldner nicht aktiv gegenüber dem Gläubiger die Berechtigung der geltend gemachten Forderung, so ist es nicht zu beanstanden, dass der Gläubiger ein Inkassounternehmen mit der Beitreibung beauftragt, ohne die Erstattungsfähigkeit der ihm entstandenen Kosten zu gefährden, da eine Titulierung der Forderung im Mahnverfahren ohne weiteres möglich ist. Für die nächste Auflage ist zu wünschen, dass an dieser Stelle noch einmal nachgearbeitet wird und die veränderten Rahmenbedingungen durch die Reform des Rechtsberatungsrechtes verstärkt Eingang finden.
Unbestreitbar erschließt der Kommentar in allen seinen Teilen Sinn, Zweck und Inhalt der gesetzlichen Regelung und gewährleistet den Einstieg in die maßgeblichen Entscheidungen der Rechtsprechung. In dieser Weise ist der Kommentar – Jahr für Jahr – ein unverzichtbares Hilfsmittel für jeden, der sich mit materiell-rechtlichen wie verfahrensrechtlichen Fragen der Forderungsbeitreibung zu befassen hat. Man muss deshalb die Anschaffung des Kommentars nicht empfehlen, sondern man muss davor warnen, die Beschaffung zu unterlassen. Wer ohne den Palandt arbeitet, vergibt Chancen und riskiert, nicht up to date zu sein.
Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 71. Aufl. 2012, 3.087 Seiten, 109 EUR, ISBN 978-3-406-61604-4