Gesundheitszustand ist von Amts wegen zu prüfen
Der OGV hatte die beantragte Verhaftung der Schuldnerin im Zwangsvollstreckungsverfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (§§ 807, 899 ff. ZPO) zu Recht verweigert. Gemäß § 906 ZPO darf ein Haftbefehl dann nicht vollstreckt werden, wenn durch die Vollstreckung, d.h. die Haft, die Gesundheit des Schuldners einer nahen und erheblichen Gefahr ausgesetzt werden würde. Die Haftfähigkeit ist von dem Gerichtsvollzieher von Amts wegen zu prüfen (Handkommentar zum Zwangsvollstreckungsrecht/Sternal, 1. Aufl., § 906 Rn 4; Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 906 Rn 2). Eine Verhaftung darf der Gerichtsvollzieher nur dann unterlassen, wenn eine Haftunfähigkeit offenkundig oder nachgewiesen ist (Sternal, a.a.O., § 906 Rn 4). Eine Verpflichtung des Gerichtsvollziehers, den Schuldner auf dessen Verlangen einem Arzt vorzuführen, besteht nicht (Sternal, a.a.O., § 906 Rn 4).
Schuldner hat gleichwohl eine Darlegungslast
Es obliegt vielmehr dem Schuldner zu belegen, dass er haftunfähig ist (Sternal, a.a.O., § 906 Rn 4; Zöller/Herget, a.a.O., § 906 Rn 2). Der Gerichtsvollzieher ist zwar an privatärztliche Atteste nicht gebunden, er hat sie aber bei seiner Entscheidung einzubeziehen (Sternal, a.a.O., § 906 Rn 5). Erforderlich ist, dass konkrete Angaben zu der Erkrankung des Schuldners und der sich daraus ergebenden Haftfähigkeit ergeben (Sternal, a.a.O., § 906 Rn 5). Zu beachten ist, dass der Haftaufschub nur unter besonderen Voraussetzungen gewährt werden kann, bei deren Prüfung auch die Gläubiger- und Schuldnerinteressen gegeneinander abzuwägen sind (Sternal, a.a.O., § 906 Rn 2; Zöller/Herget, a.a.O., § 906 Rn 2).
Insoweit ist ein strenger Maßstab anzulegen, da der Schuldner es jederzeit in der Hand hat, durch Abgabe der eidesstattlichen Versicherung die Haft abzuwenden (Sternal, a.a.O., § 906 Rn 2; Saenger, Handkommentar zur ZPO/Rathmann, 3. Aufl., § 906 Rn 2; Baumbach/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 906 Rn 8). Voraussetzung für einen Haftaufschub kann daher nur eine erhebliche, d.h. ernsthafte und schwerwiegende Gesundheitsgefährdung sein; in diesem Fall darf selbst dann von der Haft abgesehen werden, wenn es dem Schuldner ersichtlich darum geht, die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu verhindern (Sternal, a.a.O., § 906 Rn 2; Rathmann, a.a.O., § 906 Rn 2; Zöller/Herget, a.a.O., § 906 Rn 2).
Fall: konkrete Gefahr des Schlaganfalls
Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist die Weigerung des OGV, die Schuldnerin zu verhaften, im vorliegenden Einzelfall nicht zu beanstanden. Die Schuldnerin hatte mit dem Attest vom 8.8.2011 – dem Aufbau und Inhalt nach kein sog. "Gefälligkeitsattest" – hinreichend belegt, dass im Fall der Verhaftung die akute Gefahr eines erneuten Schlaganfalls bestehen würde. Substantielle Einwendungen oder gegenteilige Erkenntnisse, seien sie offensichtlich oder von der Gläubigerin vorgebracht, liegen nicht vor. Da die Folgen eines Schlaganfalls erheblich und teilweise unumkehrbar sein können, war es in der konkreten Situation angezeigt, den Haftaufschub zu gewähren.