… dem wiederum das LG widerspricht!
Die GV durfte die Zwangsvollstreckung vorliegend mit der Begründung des unbekannten Aufenthalts des Schuldners nicht ohne weitere Ermittlungen einstellen. Mit der Befragung einer direkten Nachbarin und der Kontrolle der Klingelschilder hat die Gerichtsvollzieherin ihren Ermittlungspflichten noch nicht Genüge getan. Vielmehr hat sie durch Befragung des Vermieters oder des Hauswirts zu ermitteln, ob der Schuldner verzogen ist oder das Mietverhältnis andauert. Allein auf Grundlage der Angaben der Nachbarin konnte die Gerichtsvollzieherin nicht zweifelsfrei feststellen, dass der Schuldner unbekannt verzogen sei, denn sie hat nicht positiv ermittelt, dass unter der weiterhin aktuellen Schuldneranschrift ein neuer Mieter lebt (LG Berlin v. 9.7.2015 – 51 T 438/15; AG Bremen v. 11.6.2014 – 243 M 430663/14).
Offenkundige Ermittlungen müssen angestellt werden
Zwar kann einer GV angesichts des Zeitaufwandes nicht abverlangt werden, investigativ tätig zu werden. Offenkundigen Anhaltspunkten und mühelos feststellbaren Äußerlichkeiten ist jedoch nachzugehen. Aufgrund der Einführung des § 755 ZPO n.F. besteht seit dem 1.1.2013 eine erweiterte Verpflichtung zur Aufenthaltsermittlung. Zwar formuliert § 755 ZPO Rechte des GV, zugleich gehen hiermit aber entsprechende Pflichten zur pflichtgemäßen Ermessensausübung einher. Wenn der GV nunmehr ermächtigt und verpflichtet sein kann, aktuelle Schuldneranschriften über bestimmte Behörden ermitteln zu lassen, so ist er erst recht berechtigt bzw. verpflichtet, die offiziell gültige Meldeadresse selbst zu überprüfen.
Ermittlungen sind nicht Aufgabe des Gläubigers
Im Gegensatz zum GV verfügt der Gläubiger über keine staatliche Autorität. Dritte sind dem Gläubiger nicht auskunftspflichtig. Daher kann es nicht Aufgabe des Gläubigers sein, die Meldeanschrift zu überprüfen.
Keine Einschränkungen bei Bagatellforderungen
Entgegen der Ansicht des AG entfällt die Erforderlichkeit, den Wohnungsvermieter des Schuldners über dessen Verbleib zu befragen, nicht dadurch, dass es sich im vorliegenden Fall um die Beitreibung einer Bagatellforderung handelt. Bei der Frage der pflichtgemäßen Wahrnehmungen und Bemühungen der GV geht es nicht um die Höhe der beizutreibenden Forderung, sondern um die Ermöglichung der Durchführung der Zwangsvollstreckung an sich. Die Kontaktdaten des Vermieters wären gerade im Gespräch mit der Nachbarin ohne viel Aufwand zu ermitteln gewesen. Es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der Vermieter wegen der Abwicklung der Mietkautionsrückzahlung und der Mietnebenkosten Informationen über den Verbleib des Schuldners hat.