Verweisung? Aufenthaltsermittlung?
Grundsätzlich ist zwischen der Verweisung der Sache an den örtlich zuständigen Gerichtsvollzieher und der Aufenthaltsermittlung des Schuldners nach § 755 ZPO zu unterscheiden.
Hinweis
Die Verweisung macht kein Problem, wenn der ursprünglich beauftragte GV aufgrund vergangener Aufträge oder aufgrund von Erkenntnissen vor Ort die neue Anschrift des Schuldners bereits kennt.
Problematisch wird der Verweisungsantrag, wenn der GV einerseits feststellt, dass der Schuldner an der angegebenen Adresse nicht (mehr) zu erreichen ist, andererseits aber auch keine Erkenntnisse zum aktuellen Aufenthaltsort vorliegen.
Hinweis
Der GV ist verpflichtet, den Aufenthalt des Schuldners vor Ort zu ermitteln. Mit der Befragung einer direkten Nachbarin und der Kontrolle der Klingelschilder hat der GV seinen Ermittlungspflichten noch nicht Genüge getan. Vielmehr hat er durch Befragung des Vermieters oder des Hauswirts weitere Ermittlungen anzustellen (LG Verden NJW-RR 2016, 1209). Diese Ermittlungen kann der Gläubiger schon aufgrund des erteilten Vollstreckungsauftrags verlangen. Eine zusätzliche Vergütung entsteht dafür nicht.
Weitere Aufenthaltsermittlung ohne Auftrag?
Ist tatsächlich eine Ermittlung vor Ort erfolglos bzw. steht sonst fest, dass der Schuldner unter der angegebenen Adresse nicht mehr wohnhaft ist, stellt sich die Frage, ob der GV den Aufenthalt des Schuldners ohne gesonderten Auftrag nach § 755 ZPO ermitteln darf und der Gläubiger in diesem Fall die (zusätzlichen) Kosten tragen muss.
Hinweis
Das Kostenrisiko ist erheblich. So erhält der Gerichtsvollzieher nach § 10 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 GvKostG für jede der nach § 755 ZPO zu erhebenden vier Auskünfte eine Gebühr nach Nr. 440 KV GvKostG von 13 EUR. Allein die Gebühren können sich also auf 52 EUR summieren. Hinzu kommen die allgemeine Auslagenpauschale nach Nr. 716 KVGvKostG von 10,40 EUR sowie letztlich die tatsächlichen Auskunftskosten der Auskunftsstellen nach Nr. 708 KVGvKostG, die in voller Höhe zu erstatten sind und leicht zwischen 40 EUR und 50 EUR für alle vier Auskünfte liegen können. In Summe sind also rund 100 EUR bei der vollen Beauskunftung als potentielle Kostenlast und damit als Risiko zu bedenken.
Wortlaut des Gesetzes legt Befugnis nahe
Ausgangspunkt für eine Aufenthaltsermittlung des GV ist § 755 ZPO. Ist der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthaltsort des Schuldners nicht bekannt, darf der GV nach § 755 Abs. 1 ZPO aufgrund des Vollstreckungsauftrags und der Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung zur Ermittlung des Aufenthaltsorts des Schuldners bei der Meldebehörde die gegenwärtigen Anschriften sowie Angaben zur Haupt- und Nebenwohnung des Schuldners erheben. Ist diese Ermittlungsmaßnahme nicht erfolgreich, können die weiteren Ermittlungsmaßnahmen nach § 755 Abs. 2 ZPO beim Ausländerzentralregister, dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung oder dem Kraftfahrt-Bundesamt angestellt werden. Eine Einschränkung, dass dies nur auf Antrag des Gläubigers erfolgen darf, lässt sich dem Wortlaut des § 755 Abs. 1 ZPO allerdings nicht entnehmen.
Gesetzesbegründung sagt etwas anderes
Nach der Gesetzesbegründung darf der GV die Aufenthaltsermittlung dagegen nur auf Antrag des Gläubigers vornehmen, nicht von Amts wegen (BT-Drucks 16/10069, S. 23 f.). Zur Begründung wird auf § 802a ZPO verwiesen, was aber hinkt, denn gesetzestechnisch hat die Vorschrift im allgemeinen Teil (§ 755 ZPO) den Vorrang vor dem nur für die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen geltenden § 802a ZPO (Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl., § 755 ZPO). Im Übrigen wird die Befugnis des § 755 ZPO in § 802a ZPO nicht erwähnt. Die Aufenthaltsermittlung geht vielmehr der eigentlichen Vollstreckungshandlung voraus, ist quasi Hilfsgeschäft. Ungeachtet dessen ist neben dem Wortlaut auch der gesetzgeberische Wille für die Auslegung beachtlich.
Formular differenziert
Im Formular nach der GVFV wird zwischen dem Antrag auf Verweisung an den tatsächlich zuständigen GV im Modul P 5 (s.o.) und dem Modul L, welches die Ermittlungsaufträge nach § 755 ZPO erfasst, differenziert.
Auch das Formular spricht also dagegen, dass mit dem Verweisungsantrag nach Modul P 5 bereits der Antrag auf Ermittlung des Aufenthaltsortes des Schuldners verbunden ist. Angesichts des zusätzlichen Moduls L kann der GV jedenfalls nicht ohne Weiteres von einem entsprechenden Erklärungswillen des Gläubigers ausgehen, so dass es zur kostenpflichtigen Aufenthaltsermittlung zumindest einer Nachfrage bedürfte.
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten
Vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Dispositionsbefugnis des Gläubigers, ob er unter diesen Rahmenbedingungen, insbesondere der möglicherweise erheblichen Kostenlast (hierzu Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl., § 755 ZPO), die Vollstreckung fortsetzen will, wird man grundsätzlich einen ausdrücklichen Antrag auf Aufenthaltsermittlung verlangen müssen (so auch Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 755 Rn 2; Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl., § 755 ZPO).
Zweifel am best...