Leitsatz
Schichtarbeit stellt als solche keine Mehrarbeit dar, so dass die hierfür gezahlten Zulagen nicht gemäß § 850a Nr. 1 ZPO unpfändbar sind.
AG Lehrte, Beschl. v. 30.11.2016 – 12a M 6129/15; 12a M 5434/16; 12a M 5705/16; 12a M 5740/16
1 I. Der Fall und die Entscheidung
Freigabe von Weihnachtsgeld erfolgreich
Der Schuldner hat die (zusätzliche) einmalige anteilige Freigabe seines Weihnachtsgeldes in Höhe von 500 EUR auf seinem P-Konto beantragt. Gemäß § 850a Nr. 4 ZPO unterliegt Weihnachtsgeld in einem bestimmten Rahmen nicht der Pfändung. Es war hier der Höchstbetrag von 500 EUR freizugeben, da die Hälfte des Arbeitseinkommens diesen Betrag übersteigen würde. Dem Antrag des Schuldners war insoweit zu entsprechen. Der Schuldner hat die Nachweise über die vorgenannten Beträge erbracht.
Darüber hinaus beantragt der Schuldner die (zusätzliche) Freigabe erfolgter Auszahlungskorrekturen für die Monate Juni bis Oktober. Dabei handelt es sich um Säumnis- und Nachtzuschläge. Eine Freigabe dieser Beträge kann nicht erfolgen, da Schichtarbeit als solche keine Mehrarbeit darstellt und die Beträge somit nicht unpfändbar gemäß § 850a Nr. 1 ZPO sind (Vorwerk/Wolf, in: Beck'scher Online-Kommentar ZPO, 22. Edition v. 1.9.2016, § 850a Rn 4). Der Antrag des Schuldners ist in diesem Umfang zurückzuweisen. Der Gläubigervertreter wurde zu dem Antrag des Schuldners angehört. Eine Stellungnahme erfolgte nicht.
2 Der Praxistipp
Manipulation prüfen und erkennen
Die Entscheidung des Gerichtes ist bezüglich der Freigabe des Weihnachtsgeldes nicht zu beanstanden, auch wenn es die Rechtsgrundlage seiner Entscheidung nicht deutlich macht. Nach § 850k Abs. 4 ZPO kann das Vollstreckungsgericht einen abweichenden Pfändungsfreibetrag für das Pfändungsschutzkonto einmalig oder dauerhaft festsetzen. Dabei ist u.a. § 850a ZPO entsprechend anwendbar. Nach dieser Pfändungsschutznorm (Nr. 4) sind Weihnachtsvergütungen bis zum Betrag der Hälfte des monatlichen Arbeitseinkommens, höchstens aber bis zum Betrag von 500 EUR unpfändbar.
Hinweis
Der Gläubiger muss darauf bedacht sein, dass nicht allein durch eine entsprechende Bezeichnung aus regelmäßigen pfändbaren Arbeitseinkommen unpfändbares Weihnachtsgeld wird. Zu diesem Zweck sollte der Gläubiger – anders als im vorliegenden Verfahren – auf die Möglichkeit zur Stellungnahme die Vorlage des Arbeitsvertrages verlangen, aus dem sich ein vertraglicher Anspruch auf Weihnachtsgeld ergibt. Allein die Bezeichnung in der Lohnabrechnung sollte nicht genügen.
Glück gehabt: Nachtzuschläge
Soweit das Gericht die Freigabe von Nachtzuschlägen abgelehnt hat, ist die Entscheidung unzutreffend. Der Gläubiger hat Glück gehabt. Der Bundesgerichtshof hat schon am 29.6.2016 entschieden, dass Nachtarbeitszuschläge, soweit sie dem Schuldner von seinem Arbeitgeber steuerfrei im Sinne von § 3b EStG gewährt werden, als Erschwerniszulagen im Sinne von § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar sind (BGH, VII ZB 4/15, FoVo 2016, 212). Insoweit wären auch diese Beträge über § 850k Abs. 4 i.V.m. § 850a Nr. 3 ZPO von der Pfändung auf dem Pfändungsschutzkonto freizustellen gewesen. Stattdessen prüft das Gericht nur § 850a Nr. 1 ZPO, d.h. die Pfändungsfreiheit als Mehrarbeit.
Hinweis
Auch soweit es um reine Schichtarbeit geht, wäre zu prüfen gewesen, ob es sich im Ergebnis um eine Erschwerniszulage im Sinne des § 850a Nr. 3 ZPO handelt.
FoVo 1/2017, S. 15 - 16