Leitsatz
Ist der Sitz einer Gesellschaft (Schuldner) nicht eindeutig einem AG zugeordnet, so ist der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss an dem Ort zu beantragen, an dem die Verwaltung geführt wird.
AG Berlin-Charlottenburg, Beschl. v. 20.10.2017 – 31 M 5067/17
1 I. Der Fall
Abgabe der Forderungspfändung an ein anderes AG
Die Gläubigerin beantragte beim AG Leipzig den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (PfÜB) gegen die Schuldnerin, deren Sitz der Gesellschaft sich in Berlin befindet. Nach zweifacher Mitteilung der Auffassung des AG Leipzig zur örtlichen Zuständigkeit hat die Gläubigerin die Abgabe des Verfahrens an das Vollstreckungsgericht Berlin-Charlottenburg beantragt. Hierauf hat sich das AG Leipzig für örtlich unzuständig erklärt und die Angelegenheit an das AG Charlottenburg verwiesen.
2 II. Die Entscheidung
Übernahme wird abgelehnt
Die Übernahme des Verfahrens wird abgelehnt. Nach § 17·Abs. 1 S. 1 ZPO wird der allgemeine Gerichtsstand einer Gesellschaft grundsätzlich durch ihren Sitz bestimmt. Ausweislich der Auskunft aus dem Handelsregister ist mit dem Gesellschaftsvertrag vom 10.5.2016 Berlin als Firmensitz bestimmt worden. Berlin hat jedoch elf Amtsgerichte, welche nach § 828 ZPO zuständiges Vollstreckungsgericht sein könnten.
Darauf, dass das AG Charlottenburg Zentrales Registergericht von Berlin ist, kommt es nicht an. Wenn es an einem eindeutig satzungsmäßig bestimmten Sitz fehlt, greift § 17 Abs. 1 S. 2 ZPO ein, wonach der Ort als Sitz gilt, an dem die Verwaltung geführt wird (OLG Bamberg, Beschl. v. 4.4.2017 – 8 SA 11/17). Ein eindeutiger Sitz ist nicht vorhanden, da nicht festzustellen ist, auf welchen der elf Amtsgerichtsbezirke sich der Firmensitz beziehen soll. Es hat zwar ursprüngliche Geschäftsanschriften in Berlin gegeben, jedoch lagen diese nicht in dem Gerichtsbezirk des AG Charlottenburg.
Zur Zeit des Antrages befand sich die inländische Geschäftsanschrift jedoch nicht mehr in Berlin, sondern in Leipzig. Es fehlt hier an einem eindeutig bestimmten Sitz, der sich in einem Berliner Amtsgerichtsbezirk befindet, § 17 Abs. 1 S. 1 ZPO. Demzufolge befindet sich nach § 17 Abs. 1 S. 2 ZPO der allgemeine Gerichtsstand der Schuldnerin dort, wo die Verwaltung geführt wird. Da die inländische Geschäftsanschrift wohl als Verwaltungsmittelpunkt anzunehmen ist, befindet sich der allgemeine Gerichtsstand beim AG Leipzig, da dieses AG als Vollstreckungsgericht für ganz Leipzig zuständig ist.
Die Übernahme des Verfahrens wird demnach abgelehnt. Die Abgabe kann nach § 828 Abs. 3 S 1 ZPO nur an das zuständige AG erfolgen. Die Abgabe durch das AG Leipzig ist nach § 828 Abs. 3 S. 2 ZPO nicht bindend. Mithin wird die Sache dem AG Leipzig zurückgegeben.
3 Der Praxistipp
Die Zuständigkeiten beim PfÜB
Für die Zuständigkeit zum Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist zwischen der sachlichen, örtlichen und funktionellen Zuständigkeit zu unterscheiden:
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Die sachliche Zuständigkeit für den Erlass eines PfÜB liegt nach § 828 Abs. 1 ZPO beim Vollstreckungsgericht. |
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Innerhalb des Vollstreckungsgerichts ist nach § 20 Abs. 1 Nr. 17 RPflG der Rechtspfleger funktionell zuständig. |
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Als Vollstreckungsgericht ist das AG örtlich zuständig, bei dem der Schuldner im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, und sonst das AG, bei dem nach § 23 ZPO im besonderen Gerichtsstand des Vermögens gegen den Schuldner Klage erhoben werden kann. Der allgemeine Gerichtsstand einer natürlichen Person befindet sich nach § 13 ZPO an deren Wohnsitz (§ 7 BGB) und bei einer juristischen Person nach § 17 ZPO an deren Sitz. Hier setzt das Problem des Falles an. |
Die Zuständigkeit ist nach § 802 ZPO eine ausschließliche. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Zuständigkeit ist allerdings nicht die Antragstellung, sondern der Beginn der Zwangsvollstreckung (Zöller/Stöber, ZPO, § 828 Rn 2). Die Zwangsvollstreckung beginnt mit der ersten gegen den Schuldner gerichteten Vollstreckungshandlung (BGH NJW-RR 2004, 1220, Rn 16, zitiert nach juris).
Eine Stadt – mehrere Amtsgerichte
Der Fall des AG Charlottenburg kann einem in den großen Städten begegnen, in denen es mehrere Amtsgerichte gibt, wenn der im Handelsregister eingetragene Sitz nicht eindeutig dem Bezirk eines Amtsgerichtes zugewiesen ist. In diesem Fall ist nach dem Ort zu fragen, an dem sich die Verwaltung befindet. Der Gläubiger sollte dementsprechend
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den Sitz anhand eines Handelsregisterauszuges feststellen und die Zuordnung zu einem konkreten Amtsgericht prüfen und |
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hilfsweise zum Ort der Verwaltung etwas vortragen und einen Nachweis vorlegen. |
Abgabe und weitere Abgabe
Erachtet sich das angerufene Gericht für unzuständig, muss der Gläubiger die Abgabe an das für zuständig erachtete Gericht beantragen oder aber die angenommene Zuständigkeit näher begründen. Die Abgabe an das beantragte Gericht ist dann nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung nicht bindend. Das Gericht, dem der Antrag zugeht, hat seine ausschließliche (§ 802) Zuständigkeit also auch selbstständig zu prüfen. Ist es nicht zuständig, kann auf Antrag e...