Prüfungskompetenz des GV ist beschränkt
Der Gerichtsvollzieher prüft grundsätzlich nur, ob sich die Sache im Gewahrsam des Schuldners befindet, nicht dagegen, ob sie sich auch in seinem Eigentum befindet oder im Eigentum eines Dritten steht.
Gewahrsam als Eigentumsvermutung
Der Gewahrsam des Schuldners an einer Sache steht damit für die gesetzliche Vermutung, dass dieser Gegenstand auch seinem Vermögen zuzurechnen ist. Der Gerichtsvollzieher darf deshalb von einer Pfändung grundsätzlich nur absehen, wenn evidentes Dritteigentum vorliegt, etwa bei den ersichtlichen Reparaturgegenständen in der gewerbsmäßigen Werkstatt des Schuldners (Schuschke/Walker, Vollstreckungsrecht und einstweilige Verfügung, Kommentar, 4. Aufl., § 808 Rn 859.) Dabei muss sich die Evidenz des Dritteigentums aus tatsächlichen Umständen ergeben. Die Gerichtsvollziehergeschäftsanweisung zeigt in Nr. 119 Ziffer 2, um welche Fälle es dabei gehen soll.
Im Wortlaut: Nr. 119 Ziffer 2 GVGA
"Gegenstände, die offensichtlich zum Vermögen eines Dritten gehören, pfändet der Gerichtsvollzieher nicht, z. B. dem Handwerker zur Reparatur, dem Frachtführer zum Transport und dem Pfandleiher zum Pfand übergebene Sachen, Klagewechsel in den Akten eines Rechtanwalts. Dies gilt nicht, wenn der Dritte erklärt, dass er der Pfändung nicht widerspreche oder wenn der Gläubiger die Pfändung ausdrücklich verlangt."
Keine Rechtsprüfung des GV
So liegt kein evidentes Dritteigentum vor, wenn sich dieses erst aus einem vom Schuldner vorgelegten Sicherungsvertrag oder Leasingvertrag ergibt, da dessen rechtliche Prüfung nicht zu den Aufgaben des Gerichtsvollziehers zählt. So könnte der Sicherungsvertrag ja erledigt, der Leasingvertrag aufgehoben sein. Die Gerichtsvollziehergeschäftsanweisungen, Verwaltungsvorschriften, die den Gerichtsvollzieher binden, sind auch hier in § 119 Ziffer 1 eindeutig:
Im Wortlaut: Nr. 119 Ziffer 1 GVGA
"Der Gerichtsvollzieher prüft im Allgemeinen nicht, ob die im Gewahrsam des Schuldners befindlichen Sachen zu dessen Vermögen gehören. Dies gilt sowohl dann, wenn zugunsten einer dritten Person ein die Veräußerung hinderndes Recht in Anspruch genommen wird, als auch dann, wenn der Schuldner behauptet, dass er die tatsächliche Gewalt über die Sachen nur für den Besitzer ausübe oder dass er sein Besitzrecht von einem anderen ableite. Für den Gerichtsvollzieher kommt es hiernach nur auf den äußeren Befund an. Für ihn gilt als Vermögen des Schuldners alles, was sich in dessen Gewahrsam befindet."
Prüfungskompetenz liegt beim GV
Allerdings ist der Gläubiger berechtigt und verpflichtet, nach einer eigenen Prüfung erkanntes Dritteigentum aufgrund seiner Dispositionsbefugnis freizugeben bzw. den Gerichtsvollzieher zur Freigabe zu veranlassen. Erst die Pfändung versetzt den Gläubiger aber in die Lage, eine entsprechende Prüfung der Drittrechte durchzuführen. Aufgrund des Gewahrsams wird nämlich nach § 1006 BGB zunächst einmal das Eigentum des Schuldners vermutet. Der Dritte muss den Gläubiger also zur Freigabe der Sache auffordern und ihm dabei sein Recht an der gepfändeten Sache nachweisen.
Der Gläubiger kann dann die Unterlagen darauf prüfen, ob eine Anfechtung des Rechtserwerbes nach den §§ 3, 4 AnfG in Betracht kommt, wenn die Sache ursprünglich dem Schuldner gehörte, ob eine Pfändung eines Anwartschaftsrechtes Erfolg verspricht oder ob möglicherweise ein Scheingeschäft vorliegt: Der Schuldner nutzt seit Jahren den Pkw des Dritten unentgeltlich, den er auch versichert und versteuert, während der Dritte nur formal Eigentümer ist, oder der Schuldner hat den Pkw in den letzten vier Jahren seinem Ehegatten geschenkt (§ 4 AnfG).
Achtung: Drittwiderspruchsklage
Pfändet der Gerichtsvollzieher Dritteigentum und gibt der Gläubiger es nach der Prüfung, die die Berechtigung nachweist, nicht frei, setzt er sich der Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO und für den Fall, dass der Gegenstand zuvor verwertet wurde, Bereicherungsansprüchen aus. Dies muss er durch eine konsequente und zeitnahe Prüfung vermeiden.
Der Schuldner kann sich gegen die Pfändung von Dritteigentum nicht zur Wehr setzen, auch nicht mit der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO. Da der Gerichtsvollzieher nach § 808 ZPO nur auf den Gewahrsam abzustellen hat, liegt nämlich kein Verfahrensverstoß vor. Die Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO steht wiederum nur dem Dritten, nicht aber dem Schuldner als dessen Sachwalter zu.
Gewahrsamssituation richtig beurteilen
Besonderheiten bei der Beurteilung der Gewahrsamssituation können sich dann ergeben, wenn es sich bei dem Schuldner um eine juristische Person oder eine Personenmehrheit handelt. Hier ist zu unterscheiden:
Bei juristischen Personen ist auf den Gewahrsam des Organs (BGHZ 57, 166) abzustellen, d.h. der Besitz der Organe wird dem Besitz der juristischen Person gleichgestellt.
In gleicher Weise wird beim nicht rechtsfähigen Verein auf den Gewahrsam der Vereinsorgane abgestellt.
Bei Personenhandelsgesellschaften wie der OHG oder der KG ist auf ...