P-Konto: Mehr Probleme als Lösungen
Wer Schuldner- und Rechtspflegerforen betrachtet und mit Gläubigern und Kreditinstituten spricht, der weiß, dass die Reform der Kontopfändung in der Praxis auf allen Seiten mehr neue Probleme geschaffen als alte gelöst hat.
Begrifflichkeiten unpräzise
Schon die Begrifflichkeiten sind problematisch. Das Guthaben eines Tages, wie § 833a ZPO es als Pfändungsgegenstand definiert, gibt es nämlich so nicht. Ein Guthaben gibt es immer nur zu einem bestimmten Zeitpunkt des Tages. Deshalb wird auf der Zustellungsurkunde für den PfÜB (§ 829 Abs. 3 ZPO) auch nicht nur der Zustellungstag, sondern auch die konkrete Zustellungszeit festgehalten. Der Fall des AG Hannover zeigt dies ganz exemplarisch.
Never ending story: Das Monatsanfangsproblem
Ungelöst ist zunächst das Monatsanfangsproblem. Das Bundesministerium der Justiz hat zwar schon im September 2010 eine Lösung angekündigt, ohne dass eine solche aber bisher erkennbar wird. Festzuhalten bleibt, dass der Gesetzgeber bewusst eine formale Betrachtung der Geldflüsse innerhalb eines Kalendermonats wollte. Deshalb sind einerseits die Zuflüsse, andererseits die Abflüsse in einem Monat zu betrachten. Für eine Bewertung oder Zuordnung von Zahlungen fehlt es an einer Rechtsgrundlage. In diesem Fall müsste nämlich auch eine nach der Pfändung eingehende Zahlung unberücksichtigt bleiben, wenn der Einzahlende nur darauf vermerkt, dass die Gutschrift einen Zeitraum vor der Pfändung betrifft. Richtig sieht das AG Hannover auch, dass diese Problematik nicht über § 765a ZPO gelöst werden kann. Es liegen nämlich schon nicht alle Tatbestandsvoraussetzungen vor. Die Problematik wurde nämlich nicht "durch die Zwangsvollstreckung" verursacht, sondern durch die vertraglichen Vereinbarungen über den Charakter des Girokontos des Schuldners als P-Konto, die allein zwischen Schuldner und Drittschuldner getroffen werden. Der richtige Weg für den Schuldner ist also der Verzicht auf das P-Konto und ein Antrag nach § 850l ZPO n.F.
Berechnung des in Anspruch genommenen Betrages
Ein weiteres Problem stellt die Berechnung des in Anspruch genommenen Freibetrages nach § 850k Abs. 1 ZPO im Pfändungsmonat dar. Auch hier zeigt das AG Hannover einen exemplarischen Fall. Der Schuldner hebt im laufenden Monat Geld ab, bevor der PfÜB dem Drittschuldner zugestellt wurde. Ist ihm dieser Betrag zuzurechnen oder nicht?
Auf dem P-Konto des Schuldners befinden sich am Monatsanfang 2.000 EUR. Bis zur Pfändung am 12. des Monats hat er bereits über 1.200 EUR verfügt, so dass zum Zeitpunkt der Pfändung noch 800 EUR auf dem Konto vorhanden sind. Darf der Schuldner diese nun noch vollständig in Anspruch nehmen, oder steht der Betrag dem Gläubiger zu?
Keine Anrechnung …
Das AG Hannover ist wohl der Ansicht, dass die vor der Pfändung entnommenen Beträge nicht anzurechnen sind. Der Schuldner kann also über die gesamten 800 EUR nach § 850k ZPO frei verfügen. Begründet wird dies letztlich mit der formalen Zustellung nach § 829 Abs. 3 ZPO. Erst dann werde die Pfändung wirksam.
… oder doch?
Dies überzeugt aber nicht. Der Gesetzgeber stellt mit der Reform der Kontopfändung allein auf die kalendermonatlichen Zu- und Abgänge ab. Er hat vor diesem Hintergrund dem Schuldner auch den gesamten Freibetrag zugebilligt, selbst wenn er nur noch einen kleinen Teil des Monats von dem vorhandenen Betrag seinen Unterhalt bestreiten muss. Die frühere anteilige Berechnung des Unterhaltsbedarfes in § 850k ZPO a.F. ist deshalb beim P-Konto entfallen. Die Begründung hat der Gesetzgeber in der Vereinfachung des Verfahrens sehen wollen. Diese Änderung zum Nachteil des Gläubigers muss allerdings auch in der anderen Richtung Platz greifen. Der Schuldner muss sich auch alle Verfügungen des laufenden Kalendermonats anrechnen lassen.
Schutzinstrumentarium steht zur Verfügung
Dem könnte entgegengehalten werden, dass dem Schuldner dann aber ggf. die notwendigen Mittel für seinen Lebensunterhalt fehlen. Hierauf musste sich der Schuldner aber tatsächlich auch einstellen. Er ist insoweit nicht schutzwürdig. In der Regel weiß der Schuldner ja, dass noch Vollstreckungsforderungen gegen ihn existieren. Insoweit muss er auch mit Vollstreckungsmaßnahmen rechnen und sich auf seinem P-Konto so einrichten, dass er mit dem Freibetrag über den gesamten Monat auskommt. Sollte er im Einzelfall einmal tatsächlich keine aktuelle Kenntnis haben oder sonstige Gründe einen besondere Situation bedingen, steht mit § 765a ZPO ein hinreichendes Instrument zur Korrektur zur Verfügung.