BAG folgt der gläubigerfreundlichen Ansicht
Dies ist unbegründet. Bei Vorliegen unpfändbarer Bezüge ist das pfändbare Einkommen gemäß § 850e Nr. 1 Satz 1 ZPO nach der Nettomethode zu berechnen. Gemäß § 850e Nr. 1 Satz 1 ZPO sind bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens die nach § 850a ZPO der Pfändung entzogenen Bezüge nicht mitzurechnen, ferner Beträge, die unmittelbar aufgrund steuerrechtlicher oder sozialrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des Schuldners abzuführen sind.
So rechnet die herrschende Meinung …
Nach der Rechtsprechung der Instanzgerichte und der herrschenden Meinung im Schrifttum sind von dem Gesamtbruttoeinkommen des Arbeitnehmers zunächst die nach § 850a ZPO unpfändbaren Bezüge mit dem Bruttobetrag und anschließend die auf das Gesamtbruttoeinkommen (d.h. einschließlich der unpfändbaren Bezüge) zu zahlenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abzuziehen (sog. Bruttomethode; LAG Berlin, 14.1.2000 – 19 Sa 2154/99; LAG München, 30.5.2007 – 7 Sa 1089/06; LG Mönchengladbach, 1.2.2005 – 5 T 631/04; VG Düsseldorf, 15.6.2012 – 26 K 5884/11; Henze, Rpfleger 1980, 456; MüKoZPO/Smid, 4. Aufl., § 850e Rn 2, 4; Musielak/Becker, ZPO, 10. Aufl., § 850e Rn 2 f.; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 850e Rn 7; Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 850e Rn 1a f.; Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn 984, 986a, 999b, 1133 ff.; Schuschke/Walker/Kessal-Wulf, ZPO, 5. Aufl., § 850e Rn 2; PG/Ahrens ZPO, 5. Aufl., § 850e Rn 3, 5; Bengelsdorf, Lohnpfändungsrecht, 2. Aufl., S. 79; Hk-ZV/Meller-Hannich, 2. Aufl., § 850e ZPO Rn 5; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 33. Aufl., § 850e Rn 2). Die auf die unpfändbaren Bezüge entfallenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge werden nach dieser Ansicht also zweimal in Abzug gebracht. Das soll im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit des Schuldners und vereinfachte Rechenwege hinnehmbar sein.
… und so die gläubigerfreundliche Gegenansicht
Nach der Gegenansicht sind im Anschluss an den Abzug der nach § 850a ZPO unpfändbaren Beträge mit dem Bruttobetrag lediglich die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in Abzug zu bringen, die auf das restliche, also das ohne die unpfändbaren Bezüge verbleibende Bruttoeinkommen zu zahlen sind (sog. Nettomethode, Boewer/Bommermann, Lohnpfändung und Lohnabtretung in Recht und Praxis, Rn 645 ff.; Boewer, Handbuch Lohnpfändung, Rn 752 ff.; Bauckhage-Hoffer/Umnuß, NZI 2011, 745, 747 ff.; im Ergebnis auch ArbG Aachen, 21.2.2006 – 4 Ca 4544/05; Napierala, Rpfleger 1992, 49, 51; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 71. Aufl., § 850e Rn 3).
BAG hat die Frage bisher offen gelassen …
Das BAG hat über diese Frage bisher nicht ausdrücklich entschieden. Im Urt. v. 4.4.1989 folgte der VIII. Senat im Ergebnis der Bruttomethode, allerdings ohne die Streitfrage zu erörtern (8 AZR 689/87). Im Urt. v. 5.12.2002 erklärte der VI. Senat die Aufrechnung eines Arbeitgebers gegen Lohnforderungen des Arbeitnehmers für gemäß § 394 Satz 1 BGB unzulässig, weil der Kläger im maßgeblichen Monat neben dem stetigen Monatslohn Anspruch auf Überstundenvergütung hatte und der Arbeitgeber nicht dargelegt hatte, welcher Teil des auf der Lohnabrechnung ausgewiesenen Gesamtnettobetrags der Überstundenvergütung zuzurechnen sei (6 AZR 569/01). Dieser Argumentation liegt die Nettomethode zugrunde; nach der Bruttomethode wäre das pfändbare Einkommen nach Maßgabe der auf der Lohnabrechnung ausgewiesenen Bruttobeträge und abzuführenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge errechenbar gewesen.
… und folgt jetzt der Mindermeinung
Die zutreffende Berechnungsweise ist die Nettomethode. Im Anschluss an den Abzug der nach § 850a ZPO unpfändbaren Beträge mit dem Bruttobetrag sind lediglich die Steuern und vom Arbeitnehmer zu tragenden Sozialversicherungsabgaben in Abzug zu bringen, die auf das ohne die unpfändbaren Bezüge verbleibende Bruttoeinkommen zu zahlen sind. Bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens gemäß § 850e Nr. 1 Satz 1 ZPO sind die auf die unpfändbaren Bezüge entfallenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge also nur einmal abzuziehen. Das ergibt die Auslegung des § 850e Nr. 1 Satz 1 ZPO.
Wortlaut nicht eindeutig
Der Wortlaut der Vorschrift weist bereits in diese Richtung, lässt allerdings Zweifeln Raum. Nicht zum pfändbaren Einkommen gehören nach § 850e Nr. 1 Satz 1 ZPO "die nach § 850a der Pfändung entzogenen Bezüge" sowie "ferner Beträge, die … aufgrund steuerrechtlicher oder sozialrechtlicher Vorschriften … abzuführen sind", also Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Da § 850e Nr. 1 Satz 1 ZPO "die nach § 850a der Pfändung entzogenen Bezüge" vor den abzuführenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen erwähnt, muss es sich dabei um Bruttobezüge handeln. Davon geht auch die Nettomethode aus, indem sie zunächst den Bruttobetrag der nach § 850a ZPO der Pfändung entzogenen Bezüge in Abzug bringt. Nicht vollends eindeutig ist, wie der Begriff "Beträge" zu verstehen ist. Die von den Befürwortern der Bruttomethode vertretene Annahme, "Beträge" ...